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ARTIKEL

Schadensersatz bei verspäteter Zielvorgabe

Nachdem sich das Bundesarbeitsgericht mit seinem Urteil vom 03.07.2024 – 10 AZR 171/23 bereits mit wichtigen Fragen zur variablen Vergütung befasst und die Verhandlungspflicht bei Zielvereinbarungen hervorgehoben hat

(hierüber wurde in der update IV/2024 bereits berichtet), lag dem Bundesarbeitsgericht nun ein weiterer Fall zur variablen Vergütung zur Entscheidung vor.

Bei dem vom BAG am 19.02.2025 – 10 AZR 57/24 entschiedenen Fall hatte die klagende Führungskraft Anspruch auf eine variable Vergütung, deren Erfüllung zu 70 % von unternehmensbezogenen und zu 30 % Prozent von individuellen Zielen abhing. Dem Arbeitgeber oblag die einseitige Zielvorgabe und gemäß Betriebsvereinbarung hätte diese spätestens bis zum 1. März des laufenden Jahres erfolgen müssen. Tatsächlich wurden die unternehmensbezogenen Ziele jedoch erst Mitte Oktober vorgegeben und individuelle Ziele legte der Arbeitgeber gar nicht fest. Der Arbeitgeber hatte an den Kläger für das betreffende Jahr eine variable Vergütung in Höhe von rund 16.000,00 € gezahlt und der Kläger machte darüber hinaus eine Forderung von weiteren ca. 16.000,00 € geltend. Hierfür legte er einen Zielerreichungsgrad von 100 % für die Unternehmensziele und von 142 % für die individuellen Ziele zugrunde, was dem durchschnittlichen Zielerreichungsgrad aller Führungskräfte in den zurückliegenden drei Jahren entsprach. 

Das Bundesarbeitsgericht hat dem Kläger den weiteren Anspruch in voller Höhe im Wege des Schadensersatzes zuerkannt. Es stellte fest, dass der Arbeitgeber seine Pflichten zur entsprechenden Zielvorgabe schuldhaft verletzt hat, indem dem Kläger keine individuellen Ziele und die Unternehmensziele erst, nachdem bereits ¾ der Zielperiode abgelaufen war, vorgegeben worden sind. Aufgrund dieser Verspätung konnte die Zielvorgabe ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen. 

Damit ist nunmehr auch entschieden, dass nicht nur der verspätete Abschluss einvernehmlicher Zielvereinbarungen zu Schadensersatzansprüchen der betroffenen Arbeitnehmer führen kann, sondern auch die verspätete einseitige Zielvorgabe. 

Im vorliegenden Fall lag die Verspätung durch den in der Betriebsvereinbarung festgelegten Zeitpunkt der Zielvorgabe auf der Hand. Ohne eine solche Festlegung dürfte die Verspätung schwieriger festzustellen sein, allerdings sollten in jedem Fall frühzeitig gehandelt werden, d. h. Ziele am Anfang des Kalenderjahres vorgegeben werden, um Schadensersatzansprüche auszuschließen. 

Letztlich hat das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 19.02.2025 auch festgestellt, dass bei Unterlassung oder verspäteter Zielvorgabe des Arbeitgebers ein anspruchsminderndes Mitverschulden des Arbeitnehmers anders als bei dem nicht oder dem verspäteten Abschluss einer einvernehmlichen Zielvereinbarung wegen fehlender Mitwirkung regelmäßig ausscheidet, da allein der Arbeitgeber die Initiativlast für die Vorgabe der Ziele trägt.