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Beginn der Kündigungserklärungsfrist bei Compliance-Untersuchung

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich in dem vom 2. Senat am 05.05.2022 – 2 AZR 483/21 entschiedenen Fall damit zu befassen, wann die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB bei einer Compliance-Untersuchung beginnt.

Der außerordentlich gekündigte Kläger war bei einem Rüstungsunternehmen als Vertriebsleiter beschäftigt. Dieses erhielt 2018 den Hinweis, dass geheimhaltungspflichtige Dokumente des Bundesverteidigungsministeriums im Unternehmen vorlägen. Das Unternehmen leitete daraufhin unverzüglich eine unternehmensinterne Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhaltes ein, die von einem internen Compliance-Team, unterstützt durch eine externe Rechtsanwaltskanzlei, durchgeführt wurde. Dieses entschied nach längeren Untersuchungen im Juni 2019, die bisherigen Untersuchungsergebnisse in einem Zwischenbericht für die Geschäftsführung aufzubereiten. Dieser Zwischenbericht wurde am 16.09.2019 an die Geschäftsführung übergeben. Hiernach kündigte das Unternehmen das Arbeitsverhältnis des Klägers am 27.09.2019. DerKläger hatte sich auf die Versäumung der 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB berufen.

Gemäß § 626 Abs. 2 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen ausgesprochen werden. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von dem für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Vorliegend hat das BAG festgestellt, dass es ausschließlich auf die Kenntnis der kündigungsberechtigten Geschäftsführer ankommt, nicht auf die des Compliance-Teams, es sei denn

  • es liegt ein Organisationsverschulden dahingehend vor, dass der Kündigungsberechtigte den Informationsfluss zielgerichtet verhindert oder zumindest in einer mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarenden Weise ein den Informations-fluss behinderndes sachwidriges und überflüssiges Organisationsrisiko geschaffen hat und
  • die nicht kündigungsberechtigte Person, die bereits früher Kenntnis erlangt hat, eine so herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder in der Verwaltung innehat, dass sie tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, den Sachverhalt so umfassend zu klären, dass der Kündigungsberechtigte allein auf Grund dieses Kenntnisstandes und ohne weitere Nachforschungen seine Kündigungsentscheidung abschließend treffen kann.

Betont wurde zudem vom BAG, dass maßgeblich für den Beginn der Frist die Kenntnis von sämtlichen Tatsachen beim Kündigungsberechtigten ist, wozu sowohl die für als auch gegen die Kündigung sprechenden Umstände gehören.

Somit steht fest, dass das Kündigungsrecht des § 626 BGB nicht verwirken kann, solange durch eine Compliance-Untersuchung der Kündigungssachverhalt noch nicht hinreichend ausermittelt und dem Kündigungsberechtigten zur Kenntnis gebracht ist, es sei denn es läge eine zielgerichtete Verhinderung des Informationsflusses vor. Das bedeutet jedoch nicht, so das BAG, dass der Arbeitgeber eine Compliance-Untersuchung stets entsprechend einem von ihm selbst vorgegebenen Erkenntnisinteresse zu Ende führen kann, bevor die Kündigungserklärungsfrist zu laufen beginnt, denn Ermittlungen, mit denen jenseits der Identifikation und Gewichtung bereits begangener Pflichtverstöße unternehmensbezogene Präventionsziele verfolgt werden, dienen nicht mehr der Ermittlung des Kündigungssachverhaltes. Insofern ist der Zeitpunkt der Kenntnis i.S. des § 626 Abs. 2 BGB nicht automatisch gleichzusetzen mit dem Abschlussbericht einer Compliance-Untersuchung, was in der betrieblichen Praxis unbedingt zu beachten ist.

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Angela Koch  

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Fachanwältin für Arbeitsrecht 

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