Der Sachverhalt: Der in diesem Zivilverfahren klagende Insolvenzverwalter wirft den Beklagten vor, sie hätten ihre Pflichten als Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglied bei unternehmerischen Entscheidungen verletzt. Konkret sei dies im Zusammenhang u. a. mit der Vergabe eines unbesicherten Darlehens über
100 Mio. € durch eine Tochtergesellschaft der Wirecard AG aus Mitteln der Wirecard AG an die oCap Management Pte Ltd. (OCAP) geschehen, dessen Rückzahlung vollständig ausfiel und so zu einem Schaden der Gesellschaft führte. Die Beklagten gehen davon aus, ihre Pflichten nicht, jedenfalls nicht schuldhaft verletzt zu haben. Die Entscheidungen seien durch das Unternehmensinteresse gerechtfertigt gewesen.
Urteilsgründe: Aufgrund von § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG haben die Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anzuwenden. Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, sind der Gesellschaft gem. § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG
zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet.
Die Kammer bejahte eine jeweils jedenfalls fahrlässig begangene Pflichtverletzung aller drei Vorstandsmitglieder u. a. wegen der Vergabe eines Darlehens i. H. v.
100 Mio. €. Die zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung liegt darin, dass dieses Darlehen nicht besichert wurde. Eine ungesicherte Kreditvergabe an einen finanzschwachen Vertragspartner ist als unvertretbares Risiko und als gegen die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Geschäftsmanns verstoßend zu bewerten. Dies beruhe vor allem auf in der Vergangenheit bei einem anderen Darlehen aufgelaufenen Rückständen von 2,375 Mio. €
sowie der Tatsache, dass infolge der vom Aufsichtsrat beauftragen Sonderprüfung unsicher war, ob ein mit dem Darlehen in engem Zusammenhang stehendes Third Party Acquiring-Geschäft tatsächlich existierte. Zudem war in der Vergangenheit ein Darlehen ohne den erforderlichen vorherigen Zustimmungsbeschluss des Aufsichtsrates ausbezahlt worden. Die Vorstandsmitglieder konnten sich auch nicht darauf berufen, es habe im Zusammenhang mit einem früheren Darlehen keine Hinweise auf fehlende Liquidität der Darlehensnehmerin gegeben. Den Vorstandsmitgliedern lagen keine hinreichenden Unterlagen zur Prüfung der Kapitaldienstfähigkeit vor.
Eine weitere Pflichtverletzung der Vorstandsmitglieder hat das Gericht darin gesehen, dass die Vorstandsmit-
glieder vor der Kreditvergabe entgegen anwaltlichem Rat eine Financial Due Diligence zur Überprüfung der Werthaltigkeit und Existenz der verbrieften Forderungen sowie der Solvenz des Sicherungsgebers unterließen. Diese wäre jedoch erforderlich gewesen, um dem objektivierten branchenüblichen Standard zu genügen. Auch andere vorliegende Unterlagen gaben keine verlässlichen Informationen hierzu.
Die Klage gegen das Mitglied des Aufsichtsrats wurde dagegen abgewiesen. Zwar sah das Gericht eine Verletzung der ihn treffenden Überwachungspflichten als zentrale Aufgabe eines jeden Aufsichtsrates als gegeben an. Ab dem Zeitpunkt des Beginns der Sonderprüfung hätte der Aufsichtsrat angesichts der entstandenen Krisensituation auf eine Verschärfung der Zustimmungserfordernisse drängen müssen, um die gebotene präventive Kontrolle zu verstärken. Der Beschluss über den Zustimmungsvorbehalt für Maßnahmen mit einem Volumen von mehr als 500 Mio. € hätte beispielsweise dergestalt abgeändert werden können, dass der Schwellenwert, ab dem die Zustimmung des Aufsichtsrats eingeholt werden muss, sehr viel niedriger angesetzt wird.
Jedoch sah das Gericht die Ursächlichkeit der Änderung des Zustimmungsvorbehalts für den entstandenen Schaden nicht als gegeben an, nachdem der Vorstand schon im Jahr 2019 bei der Vergabe eines Darlehens über 100 Mio. € die Auszahlung veranlasste, obwohl ihm nur die Zustimmung des Aufsichtsratsvorsitzenden vorlag, die indes einen zwingend notwendigen Beschluss des gesamten Gremiums nicht ersetzen kann. Nach allgemeinen Grundsätzen der Verteilung im Zivilprozess geht dieser Umstand der nicht sicher zu bejahenden Kausalität zu Lasten des Klägers, hier also des Insolvenzverwalters.