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ARTIKEL

Zu den Voraussetzungen einer Aussetzung eines zivilrechtlichen Verfahrens zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen des Verdachts einer Straftat nach § 149 ZPO

Von der in § 149 Zivilprozessordnung (ZPO) eingeräumten Möglichkeit, einen Rechtsstreit bis zur Erledigung eines denselben Sachverhalt betreffenden Strafverfahrens auszusetzen, machen die Zivilgerichte relativ großzügig Gebrauch.

In der Praxis äußerst relevant ist deshalb der Beschluss des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 24.04.2018 (VI ZB 52/16), in dem sich dieser mit den Voraussetzungen einer Aussetzung und vor allem den im Rahmen der dafür erforderlichen Ermessensausübung des Gerichts zu beachtenden Umstände befasst.

Bei dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Kläger nach § 149 ZPO die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens beantragt. Die Beklagten haben eine Aussetzung widersprochen, da sich der Verdacht einer Straftat nicht „im Laufe des Rechtsstreits“ ergeben, sondern bereits vorher bestanden habe. Auch sei nicht damit zu rechnen, dass das Strafverfahren angesichts seines Umfangs und einer vorhersehbar zeitaufwendigen Beweisaufnahme binnen eines Jahres erledigt werden könne. Die Beklagten beriefen sich dabei auf § 149 Abs. 2 ZPO, wonach das Gericht die Verhandlung auf Antrag einer Partei fortzusetzen hat, wenn seit der Aussetzung ein Jahr vergangen ist. Diese Fortsetzungspflicht gilt jedoch dann nicht, wenn gewichtige Gründe für die Aufrechterhaltung der Aussetzung sprechen.

Das zuständige Landgericht hatte das Verfahren trotzdem bis zur Erledigung des Strafverfahrens nach § 149 Abs. 1 ZPO ausgesetzt. Die Beschwerde der Beklagten hatte keinen Erfolg, was vom angerufenen BGH bestätigt wurde.

Der BGH begründete dies wie folgt: § 149 Abs. 1 ZPO ermöglicht die Aussetzung eines Zivilverfahrens auch dann, wenn bereits vor dem Zivilverfahren an anderer Stelle der Verdacht einer Straftat besteht und im Hinblick auf diesen ausgesetzt werden soll. Die Wendung „im Laufe des Rechtsstreits“ ist im Kontext mit dem Adressaten der Norm daher so zu verstehen, dass es auf den - naturgemäß erst nach Beginn des Zivilverfahrens - entstehenden Verdacht des mit der Sache befassten Zivilgerichts ankommt. Dies entspricht auch Sinn und Zweck des Gesetzes. Denn der Normzweck besteht darin, es dem Zivilgericht zu ermöglichen, die Ermittlungen und den Ausgang eines Strafverfahrens abzuwarten, um abweichende Entscheidungen und nicht prozessökonomische Mehrarbeit zu vermeiden. Diese Gesichtspunkte greifen aber unabhängig davon Platz, ob der Verdacht einer Straftat vor oder erst nach Beginn eines Zivilrechtsstreits entsteht. Dabei kann die behauptete Straftat im Sinne von § 149 Abs. 1 ZPO zugleich auch Grundlage des zivilrechtlichen Anspruchs sein.

Bei der Aussetzungsentscheidung des Gerichts handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, bei der das Zivilgericht sowohl die Komplexität des (möglichen) Tatgeschehens und damit den Umfang der zu erwartenden Beweisaufnahme und eine fehlende unmittelbare Wahrnehmung des (möglichen) Tatgeschehens durch eine beteiligte Partei sowie eine gegebenenfalls gemäß § 406e Abs. 2 StPO verweigerte Akteneinsicht ausführlich abwägen muss.

Der BGH-Entscheidung lässt sich entnehmen, dass eine relativ großzügige Handhabung des § 149 ZPO auf Seiten des BGH keinerlei Bedenken begegnet. Die geforderten „gewichtigen Gründe“ werden in sehr vielen Fällen erfüllt sein.