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ARTIKEL

D&O-Versicherung und Masseerhaltungspflicht

Die Insolvenzantragspflicht nach Eintritt der Insolvenzreife ist eine Kardinalpflicht, deren Verletzung zur Leistungsfreiheit eines D&O-Versicherers führen kann.

Wie das OLG Frankfurt mit vorläufig noch nicht rechtskräftigem Urteil vom 05.03.2025 (Az. 7 U 134/23) klarstellt, ist die Insolvenzantragspflicht nach Eintritt der Insolvenzreife eine Kardinalpflicht, deren Verletzung den Schluss auf das Wissen von der Pflichtverletzung rechtfertigt. Dies kann zur Leistungsfreiheit des D&O-Versicherers führen.

Das OLG Frankfurt begründet seine Auffassung damit, dass die Pflichten zur Überwachung des Unternehmens, zur Insolvenzantragstellung sowie zur Masseerhaltung nicht trennscharf gegeneinander abgegrenzt werden können. Sie alle dienten dem einheitlichen Zweck, das Unternehmen und die Gläubiger zu schützen. So indizierten etwaige Wissentlichkeitsindizien bei Verstoß gegen eine dieser Pflichten zugleich die Wissentlichkeit der Verletzung der anderen Pflichten. Aus diesem Grund liege in dem Verstoß gegen das Masseschmälerungsverbot (§ 15b InsO, der frühere § 64 GmbHG a.F.), wonach Geschäftsleiter nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung des Unternehmens grundsätzlich keine Zahlungen mehr für diese vornehmen dürfen, auch gleichzeitig ein Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht.

Der Entscheidung liegt ein Fall zugrunde, in dem der frühere Geschäftsführer vom Insolvenzverwalter auf Rückerstattung im Zeitpunkt der Insolvenzreife getätigten Zahlungen in Höhe von insgesamt ca. 100 TEUR in Anspruch genommen wurde, da dem Geschäftsführer die Insolvenzreife und damit das Zahlungsverbot bekannt war bzw. bekannt hätte sein müssen. Aufgrund dieser Wissentlichkeit verweigert die D&O-Versicherung dem ehemaligen Geschäftsführer nun den Deckungsschutz.

Das OLG Frankfurt hat die Auffassung des D&O-Versicherers bestätigt und klar festgestellt, dass der Geschäftsführer eine Kardinalpflicht verletzt habe, da er bei Eintritt der Insolvenzreife keinen Insolvenzantrag gestellt hat. Weiter stellt das Gericht fest, dass lediglich bei einer nur fahrlässigen Verkennung der Insolvenzreife bei nachfolgenden Verfügungen des Geschäftsführers nicht auf eine wissentliche Pflichtverletzung geschlossen werden kann. Sofern die materielle Insolvenz - wie hier - aber offensichtlich gewesen ist und die Zahlungen für den Geschäftsführer auch erkennbar nicht im Rahmen von Notgeschäftsführungsmaßnahmen erfolgt sind, lässt dies jedenfalls den Schluss auf einen wissentlichen Verstoß zu, so das Gericht.

Der BGH hat bereits 2021 festgestellt, dass die Einbeziehung von Ansprüchen aus § 64 S. 1 GmbHG a.F. (nunmehr § 15b InsO) in den Versicherungsschutz einer D&O-Versicherung dem für den Versicherungsnehmer/Versicherten erkennbaren Zweck des Versicherungsvertrages entspricht. Schon von daher müssten an eine wissentliche Pflichtverletzung hohe Anforderungen gestellt werden. Im vorliegenden Fall des OLG Frankfurt ist die Revision zum BGH zugelassen; es wird erwartet, dass der BGH hier seine bisherige Rechtsprechung schärfen wird.

Sollte der BGH diese Rechtsauffassung bestätigen, wird dies wohl das Ende des Versicherungsprodukts „D&O-Versicherung“ einläuten. Denn Hauptmotivation zum Abschluss einer D&O-Versicherung für Geschäftsführer und Vorstände ist die Absicherung einer etwaigen Inanspruchnahme durch einen Insolvenzverwalter wegen geleisteter Zahlungen in der Krise des Unternehmens. Hier können schnell 6-stellige Beträge zusammenkommen.