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Klassisches Ertragswertverfahren – modifiziertes Ertragswertverfahren des BGH – oder das Abschmelzungsmodell des IDW?

In der Praxis der Unternehmensbewertung, insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen, hat sich mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein Unternehmen nicht andauernde unendliche finanzielle Überschüsse in der Zukunft erwirtschaften wird, somit die Formel von der „ewigen Rente“ keine Berechtigung mehr hat.

Im IDW S 1 i. d. F. 2008 und insbesondere im IDW Praxishinweis 1/2014 „Besonderheiten bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts kleiner und mittelgroßer Unternehmen“ wird darauf durch eine Verkürzung des Betrachtungszeitraums als Abweichung vom „ewigen Leben“ eines Unternehmens, wie es bei kapitalmarktbasierten Unternehmen üblich ist, reagiert. Ferner besagt der IDW S 13 aus dem Jahr 2016 das es der Eigenverantwortlichkeit des Wirtschaftsprüfers bzw. Sachverständigen obliegt, wie die mit der Bewertung von KMU einhergehenden Besonderheiten zu berücksichtigen sind. Einen eigenständigen, auf die Bewertung von KMU abgestellten, abgeschlossenen Bewertungsstandard gibt es somit seitens des IDW bis dato nicht. Das IDW geht somit bei der Bewertung von kleinen, inhabergeführten Unternehmen von einer Abschmelzung des Einflusses des bisherigen Inhabers aus und demzufolge bei der Bewertung von einem verkürzten Ergebniszeitraum. Der Abschmelzungszeitraum gibt den Zeitraum an, indem der Einfluss des bisherigen Unternehmers auf einen Nachfolger gleicher Qualifikationen nachwirkt. Empfehlungen zur Bestimmung der Abschmelzungsdauer gibt das IDW jedoch nicht. Es überlässt die Festlegung dieses nicht greifbaren Zeitraums dem Bewerter. Als Anhaltspunkte werden lediglich die Nachhaltigkeit der Kundenbeziehungen als Haupteinflussfaktor für die Erzielung finanzieller Überschüsse sowie ein Rückgriff auf steuerliche Abschreibungsregelungen als Indikator genannt. 

Neben diesem Abschmelzungsgedanken rückt seit einigen Jahren verstärkt der Grundgedanke des „Reproduktionszeitraums“ in den Vordergrund. Der Ergebniszeitraum bzw. der Reproduktionszeitraum drückt aus, wie lange eine Reproduktion des zum Erwerb vorgesehenen Unternehmens an diesem Standort dauern würde. Wie bei dem im IDW Praxishinweis beschriebenen Abschmelzungsmodell spielt bei dem Reproduktionsansatz der angemessene Ergebniszeitraum, innerhalb dessen die Diskontierung der zukünftigen Erträge erfolgt, eine wichtige Rolle. Dem trägt der Grundgedanke Rechnung, dass es weniger um die kaum messbare Größe geht, wie lange die Inhaber-Kunden-Beziehungen nach einer Veräußerung nachwirken – somit abschmelzen, sondern eher um die Frage der Reproduktionsdauer des zu bewertenden Unternehmens. 

Beispiel: Benötigt man um ein Handelsgeschäft aufzubauen einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren, sprich nach drei bis fünf Jahren hat man den Break-Even erreicht, sind auch nur die Erträge von drei bis fünf Jahren zur Bewertung im Rahmen des Ertragswerts heranzuziehen. 

Neben den abdiskontierten Erträgen der nächsten drei bis fünf Jahre, die den immateriellen Unternehmenswert, den ideellen Wert oder den Good-Will darstellen, ist jedoch auch der materielle Unternehmenswert zum Bewertungsstichtag zu berücksichtigen, der sogenannte Substanzwert. Der Substanzwert stellt am Bewertungsstichtag den Reproduktionswert der Vermögensgegenstände unter Fortführungsgesichtspunkten vermindert um die betriebsnotwendigen Verbindlichkeiten dar. Zu bewerten sind die vorhandenen Vermögensgegenstände mit dem Zeitwert, das handelsrechtlich vorgeschriebene Vorsichtsprinzip findet keine Anwendung. 

Im modifizierten Ertragswertverfahren ist somit zur Ermittlung des Unternehmenswerts der Substanzwert zum Ertragswert zu addieren. 

Wo liegen nun die materiellen Unterschiede zu einer reinen Bewertung nach IDW S 1? 

Berücksichtigt man, dass bei Unternehmensbewertungen der Unendlichkeitsfaktor, sprich: „Das Unternehmen lebt unendlich“, zwischen 70 und 80 % des so ermittelten Unternehmenswerts ausmacht, wird deutlich, welche Bedeutung eine Beschränkung des Ertragswertzeitraums hat. Nimmt man einen Fortführungszeitraum von 5 Jahren so kürzt man den Unternehmenswert um 70 bis 80 %, im Gegenzug addiert man jedoch den Substanzwert der Vermögensgegenstände hinzu. Deutlich wird bei dieser Herangehensweise warum in der Praxis oftmals Unternehmenswerte um ein Vielfaches höher sind als tatsächlich am Markt realisierte Unternehmenspreise. 

Letztendlich liegt es in der Eigenverantwortlichkeit des Bewerters wie er die mit der Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen einhergehenden Besonderheiten berücksichtigt. Einen eigenständigen, auf die Bewertung von KMU abgestellten abgeschlossenen Bewertungsstandard gibt es seitens des IDW bis dato noch nicht. Es dürfte jedoch deutlich sein, dass im Unterschied zu unendlich lang lebenden börsennotierten Unternehmen der Reproduktions- bzw. Abschmelzungsgedanke zwingend bei jeder Unternehmensbewertung zu berücksichtigen ist. Sollte dieser Gedanke der beschränkten Ertragsdauer bei der Bewertung nicht berücksichtigt werden, so ist zwingend zu begründen, warum man bei Ermittlung der übertragbaren Ertragskraft auf den potenziellen Erwerber von einer unendlichen Lebensdauer bzw. einer Unendlichkeit der Übertragung der Ertragskraft ausgeht.