Telefon: +49 (0)371 90 97 43Mail: kanzlei@sfsk-law.de

HomeExpertenAndreas D. Trapp

Artikelliste

Fehlbewertungen in der Praxis

Trotz des Zinsanstiegs finden sich häufig immer noch unplausible Ertragswerte im Rahmen der Unternehmensbewertung, die ein Vielfaches des später bezahlten Kaufpreises darstellen.

Im Fall der Unternehmenstransaktionen hat der Markt die falschen Werte somit korrigiert. In aller Regel erfolgt jedoch keine Korrektur bei familienrechtlichen Bewertungsanlässen und Wertermittlungen, die auf unsachgerechten Annahmen beruhen oder andere methodische Fehler aufweisen. Hier besteht das große Risiko, dass der vom Gutachter gesetzte Wert Bestand hat. 

Sucht man nach Gründen für die überhöhten Wertermittlungen, so liegt einer der Hauptgründe sicherlich darin, dass die Grundlagen der Bewertungstheorie aus der Bewertung von börsennotierten amerikanischen Großkonzernen kommt. Zugrundeliegende Annahmen wie unendliche Lebensdauer, breite Diversifikation, Unabhängigkeit von handelnden Personen, exzellente Datenlage aufgrund guter betriebswirtschaftlicher Planungen und Daten des Rechnungswesens lassen sich nicht auf kleine und mittlere Unternehmen herunterbrechen. Neben der kritischen Betrachtung der Bewertungsmethode gibt es jedoch auch weitere Fehlerquellen, die in dem Versuch einer Standardisierung oder Vereinfachung des Bewertungsprozesses liegen. Häufig wird für die Ermittlung des zukünftigen Ergebnisses auf die in der Vergangenheit erzielten Gewinne abgestellt. Denkt man an die Auswirkungen von Corona und dem Ukraine-Krieg wird deutlich, welch großes Fehlerpotential in einer solchen Vorgehensweise liegt. Die zugrunde gelegten Bilanzen werden auch nicht für Bewertungszwecke gefertigt, sondern müssen handelsrechtlichen Kriterien wie dem Imparitätsprinzip oder dem Niederstwertprinzip genügen. Auch darin weichen sie von den amerikanischen Gegebenheiten (true and fair-view), auf denen die Bewertung ursprünglich fußte, ab. Erforderlich sind für Bewertungszwecke nämlich betriebswirtschaftliche Bilanzen, auch die in der Praxis häufig vorgefundenen “steueroptimierten“ Abschlüsse genügen diesen Kriterien nicht. 

Was ist also zu tun?

Der Satz aus der Financial Times gibt darauf die Antwort: Man muss sich die richtigen Informationen beschaffen und man muss sie umfassend analysieren. Das bedeutet, dass nicht nur (wie so oft in Gutachten vorzufinden), Kennziffernanalysen durchgeführt werden, sondern das auch die Gründe für die Kennziffern und ihrer Entwicklung herausgearbeitet werden. Nur wenn man diese Werttreiber exakt analysiert, ist man auch in der Lage, eine sachgerechte Unternehmensplanung und darauf aufbauende Unternehmensbewertung vorzunehmen. Ein großer und häufig gemachter Fehler ist die Annahme der unendlichen Lebensdauer des zu bewertenden Unternehmens. Prüft man also eine familienrechtliche Bewertung und erkennt, dass der vom Gutachter festgesetzte Unternehmenswert das 20 bis
35-fache des Überschusses des letzten Ist-Jahres beträgt, so sollten alle Alarmglocken angehen. Zum Vergleich: Investitionen in Vermietungsobjekte liegen in Bestlagen oft beim 20 bis 25-fachen. Man hat hier die ganzen Unternehmer- und Unternehmensrisiken, die in die Bewertung bei Unternehmen mit einfließen müssen, auch nicht! 

Welche Möglichkeiten hat man nun, solche ­Fehlbewertungen rechtzeitig aufzudecken? 

Zum Einen finden sich im Gutachten häufig Kennziffernanalysen die nicht weiter hinterfragt wurden. Welche Faktoren treiben den Wert des Unternehmens? Gibt es die auch noch in Zukunft? Wenn hier lediglich reine Zahlenanalysen vorliegen, ist Vorsicht geboten. 

Darüber hinaus spielt die Personenbezogenheit eine große Rolle. Trennen sich Eheleute im Streit und waren beide im Unternehmen tätig, so ist ein absoluter Bewertungsschwerpunkt die Analyse, inwieweit das Herausgehen des Einen sich negativ auf das Unternehmen auswirken kann. Nicht nur, dass durch das Ausscheiden Know-how und Kundenkontakte drohen verloren zu gehen, es besteht immer auch das Risiko, dass der Ausscheidende ein Konkurrenzunternehmen aufmacht. Je einfacher das Geschäftsmodell und je weniger Voraussetzungen an die Berufsausübung gegeben sind, umso größer das zu bewertende Risiko. Das Risiko ist sicherlich bei einem Handelsunternehmen um ein Vielfaches höher als bei einem Ingenieurbüro. 

Auch kann man nicht von einer unendlichen Lebensdauer des Unternehmens ausgehen. Tritt neue Konkurrenz auf den Plan bzw. brechen Kundenkontakte weg, so muss man nach einigen Jahren ein Liquidationsszenario in die Bewertung einbauen. Im Ergebnis sind unendliche Lebensdauern vom Unternehmen im deutschen Mittelstand grundsätzlich als äußerst kritisch im Rahmen von Unternehmensbewertungen zu sehen, auch wenn in den entsprechenden Bewertungsstandards diese unendliche Lebensdauer vorgegeben wird. Man sollte somit immer mit einem Multiplikator verproben: Wie viele Jahresüberschüsse ergeben den Kaufpreis, bei allen über zehn sollte man sehr genau nachhaken. 

Auch die Frage, was die Alternative zum Kauf des Unternehmens wäre, hilft hier weiter in der Plausibilisierung. Welche Kosten erspare ich beim Kauf eines Unternehmens: letztendlich die Anlaufverluste. Wenn ich drei Jahre Verluste mache und ab dem vierten Jahr Gewinn, dann kann der Kaufpreis theoretisch nicht größer sein, als die Summe der Verluste, die ich mir als Käufer erspare (zumindest bei einem einfachen Geschäftsmodell). Warum sollte ich in diesem Falle das 20- oder 30-fache, wie oft in Gutachten beschrieben, bezahlen? Ein solcher Erwerber wird sich am Markt nicht finden lassen, was ein Beleg dafür ist, dass die Bewertung falsch sein muss. Auch die Laufzeit dem Umsatz zugrundeliegender Verträge spielt hier eine Rolle. Habe ich einen festen Kundenstamm, der durch langfristige Verträge an mich gebunden ist oder funktioniert mein Geschäftsmodell wie ein Bahnhofskiosk, wo ich nicht weiß, welcher Zug hält und welche Kunden angeschwemmt werden? 

Bei Berücksichtigung oben genannter Überlegungen dürfte ein Großteil von Fehlbewertungen erkannt werden. Oftmals gibt es auch Datensammlungen, aus denen Verkaufspreise abgeleitet werden können, um Überbewertungen zu erkennen. Letztendlich lassen sich auch aus Kaufpreissammlungen und der Analyse der Gründe für den Kaufpreis Rückschlüsse auf die Qualität der Bewertung ziehen.