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Anpassung MRP und Übergang IWG Kundenbeziehungen

Aktuell lässt sich eine bislang einmalige Situation beobachten: die Zinsstrukturkurve, abgeleitet aus den Kupon-Renditen deutscher Staatsanleihen verläuft nahezu über die gesamte Laufzeit von 30 Jahren im negativen Bereich.

Der daraus abgeleitete barwertäquivalente Zinssatz für Zwecke der Unternehmensbewertung beträgt damit faktisch 0 % und droht zukünftig negativ zu werden. Daraus resultieren oftmals unplausible Ertragswerte im Rahmen der Unternehmensbewertung, die ein Vielfaches des später gezahlten Kaufpreises darstellen. Der Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) des IDW hat in seiner Sitzung am 22.10.2019 deshalb beschlossen, die Marktrisikoprämie (MRP) vor persönlichen Steuern auf 6 bis 8 % anzuheben. Dadurch erhöht sich der Kapitalisierungsfaktor leicht und der bspw. anhand des Ertragswertverfahrens ermittelte Unternehmenswert sinkt. 

Bei Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen sollte man als Alternativüberlegung dem Kauf eine Neugründung gegenüberstellen. Kleinunternehmen oder freiberufliche Praxen sind in aller Regel reproduzierbar. Der potenzielle Käufer macht aus diesem Grund eine Alternativrechnung “Gründung (Reproduktion) eines Unternehmens vs. Kauf des bestehenden Unternehmens“ auf. In der Praxis haben sich die Cash-Flows des existenten Unternehmens und des neugegründeten Unternehmens in einem Zeitraum von 2 bis 10 Jahren angeglichen. Allein dieser Zeitraum ist dann auch für die Unternehmensbewertung relevant. Üblicherweise unterstellt man bei einer Unternehmensbewertung nach dem Ertragswert- oder Discounted Cash-Flow Verfahren, dass das Bewertungsobjekt unendlich am Markt besteht. Diskontiert man diese Zahlungsströme somit auf den Bewertungsstichtag ab, macht dieser Terminal Value 70 bis 80 % des Unternehmenswerts aus. Gründet nun ein potenzieller Erwerber das Unternehmen neu, so hat er das Ertragsniveau des zu bewertenden Unternehmens jedoch schon nach 2 bis 10 Jahren erreicht. Er wird also nicht den Terminal Value für die Restlebenszeit, sprich unendliche Laufzeit, des Unternehmens bezahlen. Hier liegt einer der Hauptgründe für die großen Differenzen zwischen den ermittelten Unternehmenswerten und den später tatsächlich gezahlten Kaufpreisen. Man muss also das Konzept des Substanzwerts im Sinne ersparter Aufwendungen als Alternativberechnung vorhalten. 

Ein weiteres KMU-spezifisches Risiko, welches eliminiert werden muss, ist die “übertragbare Ertragskraft“. Dieser Grundsatz folgt der Überlegung, dass der Käufer eines Unternehmens nur für die Ertragskraft, die auf ihn übergeht, ein Entgelt entrichtet. Auch bei dieser Betrachtung wird die Annahme einer “unbegrenzten Lebensdauer des Unternehmens für Bewertungszwecke“ zur Diskussion gestellt. Kundenbeziehungen und die darin enthaltene Ertragskraft stehen als immaterieller Faktor nicht dauerhaft zur Verfügung. Die vorhandenen Kundenbeziehungen verbrauchen sich, Neukundenbeziehungen kommen hinzu. Kein Erwerber wird „neue“  Kundenbeziehungen, die somit auf seinen Bemühungen beruhen, dem Altbesitzer entgelten. Aus diesem Grunde sind Annahmen über die Abschmelzungsdauer des immateriellen Faktors zutreffen, die sich nach den individuellen Verhältnissen des Bewertungsobjektes und nach dem Markt- und Wettbewerbsumfeld richten. Je höher die Wettbewerbsintensität ist, desto schneller verbrauchen sich mögliche (auf den Erwerber übergehende) Vorteile. Indikatoren können sich aus der analogen Anwendung von IDW S 5 „Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte“ ergeben, etwa: 

  • Vertragslaufzeit und erwartete Vertragsverlängerungen,
  • typische Produktlebenszyklen,
  • Verhalten von Wettbewerbern,
  • Abhängigkeit der Kunden und 
  • demographische oder biometrische Aspekte.

Hier muss somit analysiert werden, wie lange immaterielle Vorteile dem Eigentümer erhalten bleiben. Je schneller Wettbewerber bestimmte Vorteile nachbilden können, desto kürzer wird die Abschmelzdauer zu bemessen sein, aufgrund nur temporär übertragbarer Ertragskraft ist somit eine begrenzte Lebensdauer des Unternehmens für Bewertungszwecke zwingend zu Grunde zu legen (in der Praxis häufig 3 bis 7 Jahre).

 Neben dem Ansatz kalkulatorischer Tätigkeitsvergütungen ist somit die Analyse der partiell oder temporär übertragbaren Ertragskraft wesentliche Grundlage jeder Bewertung.