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Aktuelles zur Unternehmensbewertung im Steuerrecht

Bewertungsziel ist im Steuerrecht die Ermittlung des gemeinen Werts nach § 9 BewG (Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre). Letztendlich orientiert sich die steuerliche Regelung am Leitbild des Verkehrswerts.

Zu beachten ist, dass nach § 11 BewG der Substanzwert der Gesellschaft nicht unterschritten werden darf. Der Substanzwert ermittelt sich aus der Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstige Abzüge. 

Hier gibt es nun einige aktuelle Entwicklungen zu beachten: 

Das Finanzgericht Münster hat in seinem Urteil vom 14.04.2021 (anhängig beim BFH) geurteilt, dass der Substanzwert stets und in jedem Fall als Mindestwert anzusetzen ist. Der Substanzwert bildet bei der Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften die untere Grenze. Üblicherweise kommt er zum Einsatz, soweit er über dem Ertragswert liegt, aber nur bei nahestehenden Personen oder Verkäufen unter Angehörigen. Nach Auffassung des Münsteraner Senats gilt der Substanzwert jedoch auch dann als Mindestwert, wenn der Steuerpflichtige die Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen unter fremden Dritten geltend macht.

Dies widerspricht der bis dato vorherrschenden Literaturmeinung, dass sich der tatsächlich erzielte Kaufpreis nachweislich am Markt gebildet habe (beispielsweise unter fremden Dritten) und daher den gemeinen Wert abbilde, sodass der Ansatz des Substanzwerts als Mindestwert ausgeschlossen sei. 

Gerade in Zeiten großer Umbrüche, Krisen und stark schwankenden Rohstoff- und Energiepreisen ist somit auch bei Verkäufen unter fremden Dritten Vorsorge zu treffen und der Substanzwert festzuhalten. Liegt also ein ertragsschwaches aber eigenkapitalstarkes Unternehmen vor, so sollte man gegebenenfalls den Substanzwert noch optimieren (mindern) beispielsweise durch Anlagenverkäufe, Gewinnausschüttungen oder ähnliche Maßnahmen. 

Ein weiterer Streitpunkt im Rahmen von Bewertungen stellt die Frage dar, inwieweit das Management nach dem Unternehmensverkauf (oftmals im Rahmen der Nachfolge) wechselt. Der Managementfaktor spielt bei Bewertungen eine große Rolle, oftmals hält z. B. der (Alt-)Geschäftsführer seit Jahrzehnten die Beziehungen zu den Kunden aufrecht. Im Rahmen der Nachfolge fällt diese Beziehung weg und ist gegebenenfalls wertmindernd zu berücksichtigen. Hier ist ebenfalls besondere Beweisvorsorge zu treffen, um zum einen die besonderen Beziehungen zu den Steakholdern, als auch das alsbaldige Ausscheiden als hinreichend konkrete Tatsache zu dokumentieren. 

Wählt man ein Alternativverfahren zum vereinfachten Ertragswertverfahren, beispielsweise ein Gutachten nach IDW S1, so ist mittlerweile sehr stark auf Formvorschriften und das Wording zu achten. Begriffe wie Kurzgutachten, Gutachten “analog“ IDW S1 oder erkennbare fehlende Unterlagen oder Informationen mindern den Aussagewert der gutachterlichen Stellungnahme aus Sicht der Finanzverwaltung deutlich. Auch Ausführungen zu Planungsprämissen auf Basis der Vergangenheitsanalyse sind im Gutachten zu machen. 

Wie bei den obigen beiden geschilderten Fällen ist eine deutliche Tendenz zu erkennen, Gutachten nach IDW S1 für Zwecke der steuerlichen Bewertung zumindest kritisch zu hinterfragen und insbesondere auf Formvorschriften zu überprüfen.

In die gleiche Kerbe schlägt das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 14.11.2018. Zugrunde liegt eine Wertermittlung auf Basis des Multiplikatorverfahrens in Form eines EBIT-Multiple und eines Umsatz-Multiple. Es handelt sich laut Ansicht der Finanzverwaltung nicht um eine andere Unternehmensbewertungsmethode (im Vergleich zum vereinfachten Ertragswertverfahren), sondern allenfalls um eine Kennziffer im Rahmen einer Bewertung, die aber kein vollständiges Bild des Verkehrswerts aufzeigt. Diese Methode ist insbesondere keine Methode, die etwa dem Standard “Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen“ (IDW S1) des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) entspricht, die angewendet werden könnte, wenn keine speziellere Methode vorhanden ist. Dies mag allenfalls eine Bewertung sein, die für Zwecke der Finanzierung bei einer Bank eine mögliche Herangehensweise darstellt. 

Im Ergebnis muss man feststellen, dass auch in Sachsen Unternehmensbewertungen in zunehmendem Maße massiv angegriffen werden und es sich somit in vielen Fällen empfiehlt, ein entsprechendes Gutachten “in der Schublade“ liegen zu haben. Bekanntermaßen kommt die Finanzverwaltung immer mit einigen Jahren Verspätung und da fällt es oftmals schwer, noch den damaligen Stand sachgerecht zu belegen.