Telefon: +49 (0)371 90 97 43Mail: kanzlei@sfsk-law.de

HomeExpertenKevin Stein

ARTIKEL

Wichtiges Urteil für Motorradfahrer

Während das Motorrad des Autors noch seinen Winterschlaf genießt, hat das Landgericht Stuttgart am 29.01.2025 – Az. 27 O 112/24 – eine bemerkenswerte Entscheidung zu sogenannten Kolonnenfahrten getroffen.

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt fuhren zwei Motorradfahrer hintereinander versetzt auf einem Fahrstreifen, als vor ihnen plötzlich ein Kia von der Gegenfahrbahn zum Überholen ausscherte. Um eine Frontalkollision mit dem Kia zu vermeiden, bremsten beide Motorradfahrer stark ab. Hierbei fuhr der Fahrer der hinterher fahrenden KTM mit deren Vorderrad auf die vorausfahrende Kawasaki auf. Der Kawasaki-Fahrer kam zu Sturz. Das Hinterrad der KTM hob sich an und das Motorrad überschlug sich. Zu einer Berührung zwischen den Motorrädern und dem Kia kam es nicht.

Der Kia-Fahrer wurde später wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der fahrlässigen Körperverletzung zu einer Geldstrafe i. H. v. 60 Tagessätzen verurteilt und es wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen. Im Rahmen der zivilrechtlichen Schadensabwicklung wandte seine Haftpflichtversicherung jedoch ein, dass auch in der Person des KTM-Fahrers ein Verschulden vorliege, da dieser gegenüber der Kawasaki keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten habe.

Das Landgericht Stuttgart hat in seinen Entscheidungsgründen ausgeführt, dass der Kia-Fahrer und der KTM-Fahrer im Außenverhältnis Gesamtschuldner gegenüber dem Kawasaki-Fahrer seien. Der Auffahrvorgang sei für den KTM-Fahrer kein unabwendbares Ereignis gewesen (§ 17 Abs. 3 Satz 1 StVG). Ein Idealfahrer hätte sofort eine Vollbremsung eingeleitet, als der Kia zum Überholen ansetzte. Überdies hätte ein Idealfahrer einen Sicherheitsabstand zu der vorausfahrenden Kawasaki eingehalten. Das Landgericht Stuttgart betonte, dass bei hintereinander fahrenden Motorrädern der nachfolgende Motorradfahrer einen Abstand zum vorausfahrenden Motorrad einhalten müsse, welcher bei einer plötzlichen Bremsung einen Anhaltevorgang hinter dem Vorausfahrenden zulasse. Dies gelte auch dann, wenn die Motorradfahrer zugleich seitlich versetzt zueinander fahren und der Fahrstreifen beiden Motorradfahrern nebeneinander Platz bietet.

Im Ergebnis lehnte das Landgericht Stuttgart einen Regress der Haftpflichtversicherung des Kia-Fahrers gegen den KTM-Fahrer wegen dem besonders schweren Verschulden des Kia-Fahrers (vgl. § 17 StVG, BGH, Urt. v. 23.1.1996 - VI ZR 291/94) zwar dennoch ab. Die Entscheidungsgründe zeigen allerdings abseits des zu entscheidenden Einzelfalles, dass bei der Beurteilung des ausreichenden Sicherheitsabstandes für das seitlich versetzte Fahren von Motorradfahrern keine anderen Maßstäbe gelten; insbesondere der freie Raum neben dem vorausfahrenden Motorrad ist nicht zu berücksichtigen.

Infos zum Autor

Kevin Stein 

Rechtsanwalt

Telefon: +49 (0)371 90 974 47
Mail:  stein@sfsk-law.de

Mehr Infos zum Autor


 

 

 

 

KANZLEIZEITUNG

Mit unserer Kanzleizeitung update bleiben Sie zur aktuellen Rechtsprechung immer auf dem neuesten Stand.  

Download