Dabei soll die digitale Klageeinreichung durch Informationsangebote und Abfragedialoge unterstützt und der Prozessstoff unter Nutzung von elektronischen Dokumenten, Datensätzen und Eingabesystemen digital strukturiert werden können. Die allgemeinen Verfahrensregeln der ZPO erhalten ergänzende Erprobungsregelungen, insbesondere durch erweiterte Möglichkeiten eines Verfahrens ohne mündliche Verhandlung, eine Ausweitung von Videoverhandlungen und durch Erleichterungen im Beweisverfahren. Anstelle der Verkündung des Urteils soll dessen rechtswirksame digitale Zustellung möglich sein. Ebenso ist beabsichtigt, die Gerichtsgebühren für das Online-Verfahren im Vergleich zum herkömmlichen Zivilverfahren abzusenken, um einen wirtschaftlich attraktiven Zugang zum Recht für niedrigschwellige Forderungen zu schaffen.
Abgesehen von verfassungsrechtlichen und prozessualen Zweifeln – wie man beispielsweise schon bei den anfallenden Gerichtsgebühren die Ungleichbehandlung zwischen den digital affinen und digital weniger affinen Bürgern rechtfertigen will – dürfte sich durch die Einführung eines Online-Verfahrens genau das Gegenteil von dem ergeben, was sich das Bundeskabinett erhofft – nämlich gerade keine Entlastung der Gerichte und erst recht keine Beschleunigung der Verfahren. Man stelle sich vor, jedem Nutzer einer Onlineplattform wie bspw. ebay-Kleinanzeigen stünde mit wenigen Klicks die Möglichkeit der Klageerhebung offen, wenn ihm der Käufer etwa die Versandkosten von 8,90 EUR nicht überwiesen hat. Dies mag im Einzelfall für den Bürger „gerecht“, der Funktionalität und Effektivität des Rechtsstaats allerdings wenig förderlich sein. Auf die bereits jetzt sehr gut ausgelasteten Richterinnen und Richter, deren Anzahl sich in den kommenden Jahren ohnehin bedenklich verringern wird (Stichwort demographischer Wandel) kämen deutlich mehr Verfahren zu, die sicherlich juristisch nicht immer so eindeutig zu lösen sein werden, wie es der ggf. aus seinen Emotionen heraus klickende Bürger zu glauben vermag. Die Dauer aller Verfahren dürfte sich zum Nachteil aller Rechtssuchenden erheblich erhöhen.
Und auch nicht wenige der online-klagenden Bürger dürften ihren Schritt bereuen, wenn ihnen nach Erhalt der Zahlungsaufforderung der Landesjustizkasse für den Gerichtskostenvorschuss bewusst wird, dass ihr mit wenigen Klicks veranlasstes Klageverfahren unwirtschaftlich hohe Gebühren und sogar das Risiko begründen kann, die Kosten des gegnerischen Rechtsanwalts tragen zu müssen. Die Hinweispflichten der Gerichte im Vorfeld der „verbindlichen Bestellung“ des Online-Klageverfahrens dürften jedenfalls umfangreich ausfallen.
Abschließend sei das Bundeskabinett noch darauf hingewiesen, dass Geldforderungen schon seit Jahren per Online-Mahnverfahren gerichtlich verfolgt werden können. Legt der Gegner dort Widerspruch ein, kommt es ohnehin zu einem regulären Zivilverfahren. Warum nun dieses noch mit einem Online-Klageverfahren ergänzt werden soll, erschließt sich jedenfalls auf den zweiten Blick nicht.