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Widerspruchsrecht von GmbH-Geschäftsführern untereinander

In einem bemerkenswerten Urteil vom 14.06.2023 - 1 U 91/22 - hat sich das OLG Saarbrücken mit dem Widerspruchsrecht von GmbH-Geschäftsführern untereinander auseinandergesetzt. Dieses Widerspruchsrecht ergibt sich aus § 115 Abs. 1 HGB. Steht die Geschäftsführung danach allen oder mehreren Gesellschaftern zu, so ist jeder von ihnen allein zu handeln berechtigt, widerspricht jedoch ein anderer geschäftsführender Gesellschafter der Vornahme einer Handlung, so muss diese unterbleiben

Der Entscheidung des OLG Saarbrücken lag der Fall einer GmbH zugrunde, deren beide Geschäftsführer nicht zugleich Gesellschafter der GmbH, also sogenannte Fremdgeschäftsführer waren. Eine Geschäftsordnung für die Geschäftsführung bestand nicht. Als einer der beiden Geschäftsführer Auslandszahlungen für eine von der GmbH als Komplementärin vertretene KG tätigen wollte, widersprach dem der andere Geschäftsführer nach § 115 Abs. 1 HGB analog. Er reklamierte für sich einen gerichtlich durch-setzbaren Unterlassungsanspruch, den er im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchsetzen wollte. Das OLG Saarbrücken sprach ihm diesen Unterlassungsanspruch ab.

Nach Ansicht des OLG Saarbrücken hat ein Fremdgeschäftsführer keinen eigenen, individualrechtlich begründeten Unterlassungsanspruch gegen seinen Mitgeschäftsführer, aufgrund dessen er inter partes verlangen könnte, dass die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis seines Mitgeschäftsführers vorläufig einzuschränken ist. Zwar mag ihm als Geschäftsführer unbeschadet der grundsätzlichen Einzelgeschäftsführungsbefugnis seines Mitgeschäftsführers in Bezug auf einzelne Geschäftsführungsmaßnahmen ein Widerspruchsrecht nach § 115 Abs. 1 HGB analog zuzubilligen sein. Aus dem Übergehen seines wiederholt erklärten Widerspruchs gegen einzelne Geschäftsführungsmaßnahmen in der Vergangenheit kann er jedoch keinen individuellen Unterlassungsanspruch für die Zukunft hinsichtlich vergleichbarer Geschäftsführungsmaßnahmen seines Mitgeschäftsführers ableiten. Ein solcher individueller Unterlassungsanspruch für den Fremdgeschäftsführer einer GmbH ergibt sich auch weder aus dem Gesetz, noch kann er aus dem Aspekt der Gewährung möglichst effektiven Rechtsschutzes im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens hergeleitet werden. Das mögliche Widerspruchsrecht des Geschäftsführers aus § 115 Abs. 1 HGB analog reicht schlicht nicht so weit, dass er als reiner Fremdgeschäftsführer vorbeugend gegen eine bestimmte Art von Geschäftsführungsmaßnahmen des anderen Fremdgeschäftsführers einen generellen Widerspruch einlegen und losgelöst von einer Beteiligung der Gesellschafterversammlung oder der Alleingesellschafterin allein aus der Ausübung eines solchen Widerspruchs zu seinen Gunsten ein eigenes, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig zu sicherndes Individualrecht auf eine dahin gehende Beschränkung der Einzelvertretungsberechtigung des von dem Widerspruch betroffenen anderen Fremdgeschäftsführers resultieren würde. Das Widerspruchsrecht des § 115 Abs. 1 HGB findet seine Grundlage in dem Mitgliedschaftsrecht des jeweiligen Gesellschafters an der von der Geschäftsführungsmaßnahme betroffenen Gesellschaft; vorliegend streiten jedoch Fremdgeschäftsführer. Ferner würde durch ein solches Ergebnis auch das von der Satzung der Gesellschaft respektive der gesellschaftlichen Beschlusslage ausdrücklich gewollte Prinzip der Einzelverantwortung für einen bestimmten Bereich der Geschäftsführung durch das Prinzip kollektiver Verantwortung ersetzt. Dies würde aber der hierarchischen, von der generellen Kompetenz der Gesellschafterversammlung geprägten Struktur der GmbH-Verfassung und der innergesellschaftlichen Kompetenzordnung, wie sie in § 37 Abs. 1 GmbHG und dem Aufgabenkatalog für die Gesellschafterversammlung in § 46 GmbHG zum Ausdruck kommt, grundlegend zuwiderlaufen.

Zu beachten ist, dass diese Entscheidung des OLG Saarbrücken von der Rechtsprechung des BGH abweicht, der ein Widerspruchsrecht von GmbH-Geschäftsführern untereinander anerkennt. Denn alle Geschäftsführer trifft stets eine Gesamtverantwortung für eine ordnungsgemäße Geschäftsführung. Die Geschäftsführer haben daher untereinander eine Überwachungs- und gegebenenfalls auch Interventionspflicht. Aus dieser Gesamtverantwortung aller Geschäftsführer, aber auch aus ihrer Verpflichtung zur kollegialen Zusammenarbeit und auf das Unternehmensinteresse folgt ein Widerspruchsrecht des Inhalts, dass jeder Geschäftsführer von seinem Mitgeschäftsführer verlangen kann, dass eine Maßnahme bis zur Befassung des Geschäftsführungsgremiums bzw. der Gesellschafterversammlung unterbleibt. Zu § 115 Abs. 1 HGB ist zudem anerkannt, dass dieses Widerspruchsrecht im Wege einer Unterlassungsklage sowie mittels vorläufigen Rechtsschutz in Form einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden kann. Im GmbH-Recht wird man dies - entgegen dem OLG Saarbrücken - ebenso sehen müssen.

Für die Praxis ergibt sich durch diese divergierende Rechtsprechung die dringende Empfehlung, rechtskundigen Rat einzuholen, bevor sich der Geschäftsführer gegenüber seinem Mitgeschäftsführer auf ein Widerspruchsrecht nach § 115 Abs. 1 HGB analog beruft.