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HomeExpertenDr. iur. Michael Franz Schmitt

ARTIKEL

Einstweiliger Rechtsschutz in einer zweigliedrigen GmbH

Das OLG München hat im Urteil vom 25.05.2023 - 23 W 354/23 = BeckRS 2023, 44437 entschieden, dass im Falle eines Streits in einer zweigliedrigen GmbH über die Frage, ob ein Mitgesellschafter wirksam als Geschäftsführer aus wichtigem Grund abberufen wurde, die Gesellschafter im Wege der Gesellschafterklage um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchen können, ohne dass die Handlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit der Gesellschaft besonders festgestellt werden muss.

Dieser Entscheidung lag der Fall zugrunde, dass ein 51 %iger Gesellschafter einer GmbH im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt hat, seinem 49 %igen Mitgesellschafter zu untersagen, die Geschäfte der Gesellschaft zu führen und diese Gesellschaft zu vertreten sowie die Geschäftsräume dieser Gesellschaft zu betreten. Das OLG München hat die beantragte einstweilige Verfügung erlassen.

Nach der Auffassung des OLG München kann bei einem Streit über die Wirksamkeit der Abberufung eines GmbH-Geschäftsführers durch einstweilige Verfügung ein Tätigkeitsverbot und ein Verbot der Ausübung der Organtätigkeit ausgesprochen werden, wenn glaubhaft gemacht ist, dass wichtige Gründe für eine sofortige Abberufung des Geschäftsführers vorlagen und die Abberufung wirksam beschlossen ist. Parteien eines solchen Verfügungsverfahrens sind grundsätzlich der abberufene Geschäftsführer und die Gesellschaft, vertreten durch die gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG bestimmten Vertreter. Allerdings können in der vorliegenden Konstellation die Gesellschafter ausnahmsweise im eigenen Namen gegen den abberufenen Geschäftsführer vorgehen. Denn die Grundsätze der sogenannten actio pro socio sind auch im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens nach Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers (nicht eines Fremdgeschäftsführers) aus wichtigem Grund maßgeblich. Hierbei muss die Handlungsunfähigkeit oder die -unwilligkeit der Gesellschaft nicht besonders festgestellt werden. Eine Umgehung der gesellschaftsinternen Kompetenzordnung ist bei einem Abberufungsstreit in der Zwei-Mann GmbH unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen nicht zu befürchten, da der wegen eines wichtigen Grundes gemäß § 38 Abs. 2 GmbHG abberufene Gesellschafter gemäß § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG von der Abstimmung über einen Gesellschafterbeschluss zur Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 46 Nr. 8 Alt. 2 GmbHG ausgeschlossen ist. Ein Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr. 8 Alt. 2 GmbHG stellt sich in diesem Zusammenhang als eine überflüssige Formalität dar. Eine Verweisung auf eine Beschlussfassung nach § 46 Nr. 8 Alt. 2 GmbHG wäre insofern ein unnötiger und unbilliger Umweg. Jeder Gesellschafter hat es rechtlich grundsätzlich in der Hand, die Gesellschaft zur Verfolgung ihrer Position gegen den abberufenen Gesellschafter-Geschäftsführer anzuhalten; das könnte bei einer wechselseitigen Abberufung sogar dazu führen, dass beide Gesellschafter die rechtliche Möglichkeit haben, einen Aktivprozess der Gesellschaft gegen den jeweils anderen herbeizuführen, in dem die Gesellschaft dann aber womöglich widersprüchliche Positionen einnehmen müsste. Angesichts der fehlenden Schutzwürdigkeit von (Dritt-) Interessen wäre es nicht gerechtfertigt, die Gesellschafter zu dieser (wechselseitigen) Instrumentalisierung der Gesellschaft zu zwingen.

Ob die Gesellschafterklage nach einer Abberufung des Gesellschafter-Geschäftsführers einer zweigliedrigen GmbH eine besonders festzustellende Handlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit der Gesellschaft voraussetzt, ist umstritten. Das OLG München hält die Gesellschafterklage ohne vorherige Befassung der Gesellschafterversammlung für zulässig, da sich ein Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr. 8 Alt. 2 GmbHG in diesem Zusammenhang nur als eine überflüssige Formalität darstellt. In der Praxis ist jedoch Vorsicht geboten, da nicht davon auszugehen ist, dass sich erstinstanzliche Gerichte an die Rechtsprechung des OLG München halten. Der BGH hat sich zur Thematik bislang noch nicht geäußert.