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Vermintes Gebiet für den GmbH-Geschäftsführer: § 64 GmbHG alt und § 15b InsO neu

Nach einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 27.10.2020 - II ZR 355/18 haftet der Geschäftsführer gemäß § 64 S. 1 GmbHG a.F. für nach der Insolvenzreife der GmbH noch an die Gläubiger der Gesellschaft erbrachte Zahlungen selbst dann, wenn der Zahlungsempfänger seinerseits im Voraus eine entsprechende Gegenleistung an die GmbH erbracht hat.

Diese Entscheidung zu § 64 GmbHG a.F. ist maßgeblich für alle Insolvenzverfahren, die vor dem 01.01.2021 beantragt worden sind. Ab dem 01.01.2021 wird § 64 GmbHG a.F. ersetzt durch § 15b InsO neu. Dazu später. Der zitierten Entscheidung des BGH lag die Klage eines ehemaligen Insolvenzverwalters über das Vermögen einer GmbH zugrunde, dem im Insolvenzplan Ansprüche gemäß § 64 GmbHG gegen die Geschäftsführer zum Zwecke des Einzugs der Forderung und Verteilung an die Gläubiger abgetreten worden waren. Der beklagte vormalige Geschäftsführer dieser GmbH hatte nach Eintritt der Insolvenzreife Zahlungen an Gläubiger veranlasst, die ihre Gegenleistung an die Gesellschaft, teilweise unter Eigentumsvorbehalt, bereits zuvor erbracht hatten. Die Vorinstanzen hatten den Beklagten Geschäftsführer zu Zahlungen in Höhe von ca. 5 Mio. € verurteilt.

Die Revision zum BGH führte zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit der Beklagte zur Zahlung von mehr als ca. 800.000 € verurteilt wurde. In seiner Entscheidung führt der BGH aus, dass Zahlungen aus dem Vermögen einer insolvenzreifen Gesellschaft grundsätzlich nicht durch Vorleistungen des Zahlungsempfängers kompensiert werden können. Damit erteilt er der in Schrifttum und Rechtsprechung kontrovers diskutierten Frage eine Absage, ob Vorleistungen des Zahlungsempfängers in das Gesellschaftsvermögen eine den Anspruch gemäß § 64 S. 1 GmbHG ausschließende Kompensation der eigentliche masseschmälernden Zahlung darstellen können. Denn ab Insolvenzreife dürfe der Geschäftsführer – abgesehen von der Ausnahme nach § 64 S. 2 GmbHG – grundsätzlich gar keine Zahlungen mehr leisten. Mit dieser Entscheidung bekräftigt der BGH noch einmal deutlich seine strenge Rechtsprechung hinsichtlich der Anforderungen an den Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife. Danach hat der Geschäftsführer ab diesem Zeitpunkt – abgesehen von den auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbarten Zahlungen, § 64 S. 2 GmbHG - die (künftige) Insolvenzmasse zusammenzuhalten. Die Dreiwochenfrist des § 15a InsO gibt dem Geschäftsführer lediglich die Möglichkeit zu versuchen, einen bereits eingetretenen Insolvenzgrund zu beseitigen. Jedoch nimmt der BGH eine Verschlechterung der Vermögenssituation der Gesellschaft zulasten der Gläubigergesamtheit in diesem Zeitraum nicht hin. Deshalb ist es für den Geschäftsführer nach Erkennen der Insolvenzreife also extrem wichtig, bei jeder Zahlung genau zu überlegen, ob diese wirklich nach § 64 S. 2 GmbHG gerechtfertigt sein kann. Ist sich der Geschäftsführer nicht sicher, ob er in der Dreiwochenfrist des § 15a InsO einen eingetretenen Insolvenzgrund beseitigen kann, so ist ihm dringend anzuraten, dass er zur Fortführung des Geschäftsbetriebs umgehend einen Insolvenzantrag stellt. Denn nur dann ist eine für ihn ungefährliche Fortführung des schuldnerischen Unternehmens gewährleistet.


Das gilt auch für Insolvenzanträge, die nach dem 01.01.2021 gestellt werden. Ab diesem Zeitpunkt gilt statt des bisherigen § 64 GmbHG die neue Regelung nach § 15b InsO. Auch nach dessen Abs. 1 dürfen Geschäftsführer von GmbHs nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder deren Überschuldung keine Zahlungen mehr für diese vornehmen. Dies gilt lediglich nicht für Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. Neu ist aber nun § 15b Abs. 2 InsO. Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dienen, gelten danach vorbehaltlich des § 15b Abs. 3 InsO als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. Innerhalb der Antragsfrist (drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung gemäß § 15a Abs. 1 S. 2 InsO) gilt dies jedoch nur, solange der Geschäftsführer Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung der Insolvenzreife zur Vorbereitung eines Insolvenzantrags mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreibt. Nach § 15b Abs. 3 InsO schließlich sind Zahlungen in der Regel nicht mehr mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar, wenn der für eine rechtzeitige Antragstellung maßgebliche Zeitraum verstrichen ist und der Antragspflichtige, also der Geschäftsführer der GmbH keinen Antrag gestellt hat. Auch nach neuer Rechtslage gilt demzufolge: Es ist größte Vorsicht geboten! Der Geschäftsführer der GmbH hat in der Krise bei jeder Zahlung, die er für die GmbH leistet, gut zu überlegen, ob ihn auch nach § 15b InsO die persönliche Haftung trifft. Damit ist die Neuregelung komplizierter geworden, als es die alte Regelung war. Der Beratungsbedarf des GmbH-Geschäftsführers in der Krise ist damit deutlich höher geworden, wenn er vermeiden will, mit seinem persönlichen Hab und Gut für die Schulden der GmbH zu haften.