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Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Lohnsteuer auch nach Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem richtungsweisenden Urteil vom 22.10.2019 - VII R 30/18 betont, dass die Pflicht des GmbH-Geschäftsführers zur Abführung der Lohnsteuer weder durch einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch durch Beschluss eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt entfällt.

Der Geschäftsführer kann sich auch nicht mit der bloßen Behauptung entlasten, er habe angenommen, der vorläufige Insolvenzverwalter werde seine Zustimmung zur Abgabentilgung verweigern. Vielmehr ist im Regelfall vom Geschäftsführer eine dokumentierte Anfrage an den vorläufigen Insolvenzverwalter zu erwarten. Nur in dem seltenen Fall konkreter, eindeutiger und objektiver Anhaltspunkte für die Sinnlosigkeit einer solchen Anfrage kann auf diese verzichtet werden.

Dieser Entscheidung lag der Sachverhalt zugrunde, in dem der alleinige Geschäftsführer einer GmbH vom Finanzamt insbesondere wegen rückständiger Lohnsteuern persönlich in Haftung genommen wurde. Die GmbH hatte einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen gestellt, woraufhin das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellte und anordnete, dass Verfügungen der GmbH über ihre Vermögensgegenstände nur noch mit dessen Zustimmung wirksam seien. Ein Mitarbeiter des vorläufigen Insolvenzverwalters wies den Geschäftsführer per E-Mail darauf hin, dass im Rahmen der vorläufigen Insolvenzverwaltung keine Verfügungen, also auch keine Überweisungen von Bankkonten mehr ohne Zustimmung des vorläufigen Verwalters getätigt werden dürften. Der Geschäftsführer nahm dies wörtlich und stellte während der vorläufigen Insolvenzverwaltung die Zahlung von Lohnsteuer ein. Daraufhin wurde er von dem Finanzamt persönlich auf Zahlung der Lohnsteuer in Anspruch genommen.

Der BFH stellte in seiner Entscheidung klar, dass wegen der erhöhten Anforderungen an den Geschäftsführer in der Krise der GmbH im Regelfall eine dokumentierte Anfrage des Geschäftsführers an den vorläufigen Insolvenzverwalter erforderlich sei, ob er seine Zustimmung zur Abgabentilgung erteilt. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BFH stellt die Nichtabführung einzubehaltender oder anzumeldender Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten regelmäßig eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Geschäftsführerpflichten dar. Weder Zahlungsschwierigkeiten der GmbH noch der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ändern etwas an dieser Verpflichtung. Auch schließen sie ein Verschulden des Geschäftsführers bei der Nichterfüllung steuerlicher Pflichten nicht aus. Reichen die zur Verfügung stehenden Mittel zur Befriedigung der arbeitsrechtlich geschuldeten Löhne einschließlich des in ihnen enthaltenen Steueranteils nicht aus, so dürfe ein Geschäftsführer Löhne nur entsprechend gekürzt auszahlen und müsse aus den verbleibenden Mitteln die auf die gekürzten (Netto-)Löhne entfallende Lohnsteuer an das Finanzamt abführen. Dabei könne sich der Geschäftsführer nicht allein mit der Behauptung entlasten, er habe angenommen, der vorläufige Insolvenzverwalter werde seine Zustimmung zur Abgabentilgung verweigern. Im Regelfall sei deshalb vom Geschäftsführer zumindest eine entsprechende dokumentierte Anfrage an den vorläufigen Insolvenzverwalter zu erwarten, auf die nur in seltenen Ausnahmefällen verzichtet werden könne. Dies sei insbesondere der Fall, wenn konkrete und eindeutige objektive Anhaltspunkte für die Sinnlosigkeit einer solchen Anfrage bestünden.

Vor diesem Hintergrund der verschärften Haftung des Geschäftsführers ist diesem dringend zu empfehlen, gegebenenfalls die Löhne in dem Umfang zu kürzen, dass die Geldmittel nach Einbehalt der hierauf entfallenden Lohnsteuer auch zur Zahlung der Lohnsteuer ausreichen, die Lohnsteuer fristgerecht beim Finanzamt anzumelden, den vorläufigen Insolvenzverwalter schriftlich zur Erteilung der Zustimmung zur Zahlung der Lohnsteuer aufzufordern und nach Erteilung der Zustimmung die Zahlung zu veranlassen.