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HomeExpertenDr. iur. Michael Franz Schmitt

ARTIKEL

Erweiterung der persönlichen Haftung des GmbH-Geschäftsführers bei sog. "Zombieunternehmen"

Im Herbst des letzten Jahres hatte der BGH sich wieder mit den Folgen einer Insolvenz zu befassen. Im Rahmen dieser Entscheidung hat der BGH die persönliche Haftung des Gesellschafters erneut erweitert.

Was war passiert? 
Geklagt hatte ein Kunde der Firma, der diese mit Fassaden-arbeiten an seinem Haus beauftragt und direkt den ersten Abschlag in Höhe von 13.000,00 € gezahlt hatte. Diese Arbeiten wurden jedoch nur unvollständig und derartig mangelhaft ausgeführt, dass an dem Haus ein Schaden über 6.400,00 € entstand. Trotz entsprechender Fristsetzung wurden die nötigen Arbeiten nicht erbracht. Der Kläger strengte ein sogenanntes selbständiges Beweis-verfahren an, bei dem isoliert gerichtlich über bestimmte Tatsachen Beweis erhoben wird, welcher später bei einem Prozess als festgestellt eingebracht werden kann. Hier kam das LG Karlsruhe, neben der erwähnten Schadenssumme, zu dem Ergebnis, dass die beklagte GmbH lediglich 5% der vereinbarten Arbeiten erbracht hatte, was einem Wert von 900,00 € entsprach. Knapp drei Wochen nach der Feststellung des LG Karlsruhe wurde gegen den Geschäftsführer der GmbH ein Strafbefehl wegen Insolvenzverschleppung erlassen und ein viertel Jahr später, nachdem eine verspätete Antragstellung erfolgte, wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Da der Insolvenzverwalter dem Kläger mitteilte, die In-solvenzmasse werde nicht ausreichen, um den Abschlag zurückzuzahlen oder die Kosten des Beweisverfahrens zu decken, wandte er sich mit der Klage an den Geschäftsfüh-rer des Unternehmens. Bereits in den Vorinstanzen bekam der Kläger recht. Sowohl das LG als auch das OLG Karlsruhe stellten fest, dass die GmbH zahlungsunfähig im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO war und dass der Geschäftsführer seine Antragspflicht verletzt habe, weswegen er dem Kläger den Ersatz sämtlicher Pro-zesskosten schulde. Als Anspruchsgrundlage griffen beide Gerichte auf § 823 Abs. 2 i.V.m. § 15a Abs. 1 S.1 InsO zurück.

II. Was hat der BGH entschieden

Zuerst kam der BGH in seinem Urteil zum Schluss, dass die beiden Vorinstanzen zurecht entschieden haben. Hier muss erwähnt werden, dass es eine große Besonder-heit des Falles ist, dass es sich bei der GmbH um ein soge-nanntes „Zombieunternehmen“ handelte. Solche Unterneh-men sind faktisch zahlungsunfähig. Sie umgehen aber den technischen Begriff der Zahlungsunfähigkeit aus § 17 Abs. 2 InsO dadurch, dass sie sich immer wieder durch Darlehen, die selbst erst viel später fällig werden, genügend Liquidität verschaffen, um anstehende Verbindlichkeiten zu bedienen. Aber auf längere Sicht werden sie nicht in der Lage sein, wieder aus eigener Kraft alle Verbindlichkeiten zu tilgen. Aufgrund dieses Handels sah es der BGH als erwiesen an, dass der Geschäftsführer den Insolvenzantrag seit 01.12.2015 verschleppt habe. Insbesondere habe der Beklagte das Ende seines Unter-nehmens absehen können und trotzdem mit allen Mitteln und zum Nachteil der Gläubiger versucht, dies so lange wie möglich hinauszuzögern, worin der BGH die Sittenwidrigkeit verwirklicht sah. Hierbei habe er zumindest billigend in Kauf genommen, dass Gläubiger der Firma geschädigt werden würden. Im Ergebnis habe er den Kläger somit vorsätzlich sittenwidrig geschädigt, da dieser nie das selbstständige Beweisver-fahren angestrengt hätte, wäre die Insolvenzreife der Firma ordnungsgemäß bekanntgegeben worden. Der Geschäftsführer musste dem Kläger somit sämtliche Kosten erstatten, die im Zusammenhang mit dem selbst-ständigen Beweisverfahren entstanden sind.

III. Bedeutung der Entscheidung

Grundsätzlich stärkt diese Entscheidung die Rechte der Gläubiger solcher Zombieunternehmen, da nun auch der Geschäftsführer persönlich für bestimmte Schäden haften muss. Die Entscheidung ist insbesondere bemerkenswert, da zwar der Anwendungsbereich des § 826 BGB durch das Merkmal des Vorsatzes grundsätzlich enger ist als der des § 823 BGB, bei dem auch Fahrlässigkeit ausreicht. Ist § 826 BGB jedoch erst einmal eröffnet, trifft den Anspruchsgegner hier eine deutlich umfangreichere Haftung und Schaden-ersatzpflicht, als es bei § 823 BGB der Fall wäre. Diese Entscheidung des BGH wird sicherlich über den Ein-zelfall hinaus dadurch motiviert gewesen sein, dass solche Zombieunternehmen für den gesamten Rechtsverkehr ein hohes Risiko darstellen und ein erhebliches Schädigungs-potential aufweisen. Sicherlich wird sich der ein oder andere Geschäftsführer durch die drohende persönliche Haftung davon abschrecken lassen, sein Unternehmen zu einem Zombie werden zu lassen. Aus Sicht von Geschäftsführern bringt dies einen weiteren Posten mit sich, auf den bei der Unternehmensführung, ins-besondere bei einer sich abzeichnenden Krise, zu achten ist. Gerade wenn es sich bei dem Unternehmen um das eigene „Baby“ handelt, wird gern und schnell versucht, alles zu tun, um dieses zu retten. Eine fortwährende Aufnahme von Kre-diten zur Deckung der fälligen Kosten lohnt sich allerdings nur, wenn der erwirtschaftete Gewinn auf Dauer die Zinsen der Darlehen übersteigt. Sofern nicht gerichtsfest belegt werden kann, dass der Ge-schäftsführer die berechtigte Hoffnung hatte, die Situation werde sich in absehbarer Zeit verbessern, befindet man sich nach der Entscheidung des BGH schnell in der Falle einer sehr weiten persönlichen Haftung nach § 826 BGB, ganz zu schweigen von der Strafbarkeit der Insolvenzverschleppung. Um eine solche Folge zu vermeiden, empfiehlt es sich, bei einer sich abzeichnenden Krise schnell kompetenten Rat zu suchen und die richtigen Entscheidungen zu treffen.