Der Kläger war seit 2019 bei der Beklagten beschäftigt. Ihm standen vertraglich 30 Urlaubstage pro Jahr zu. Anfang 2023 kam es zu einem Rechtsstreit zwischen den Parteien, in dessen Verlauf diese übereinkamen, dass eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewünscht war. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger in 2023 noch keinen Urlaub genommen, da er durchgängig arbeitsunfähig erkrankt war. Am 24.03. übersandte die Beklagte dem Kläger einen Vergleichsentwurf. Darin war u. a. aufgeführt, dass die Urlaubsansprüche des Klägers in natura gewährt worden seien. Mit Schreiben vom 29.03.2023 teilte die Anwältin des Klägers mit, dass ihr Mandant mit dem Vergleichsvorschlag einverstanden sei.
Den Vergleichstext reichte die Vertreterin des Klägers bei Gericht ein. Die Beklagte stimmte zu, woraufhin der Vergleich am 31.03.2023 gerichtlich festgestellt wurde. Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses konnte der Kläger aufgrund fortbestehender AU keinen Urlaub mehr nehmen. Am 12.06.2023 machte der Kläger gegenüber der Beklagten Urlaubsabgeltung i.H.v. 1.615 € geltend. Er war der Ansicht, auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch als unabdingbaren Anspruch habe er im Rahmen des Vergleichs nicht verzichtet, so dass der Mindesturlaub im Umfang von sieben Tagen für das Jahr 2023 abzugelten sei. Die Beklagte hielt dagegen, dass der Kläger auf gesetzliche und übergesetzliche Urlaubs(abgeltungs)ansprüche verzichtet habe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das LAG hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Urlaubsabgeltungsansprüche in voller Höhe für berechtigt angesehen. Allerdings wurde die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BAG unter dem Az.: 9 AZR 104/24 anhängig. Das LAG machte deutlich, dass der Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2023 nicht untergegangen war, der Urlaubsanspruch sei auch nicht durch den Prozessvergleich vom 31.03.2023 erloschen. Darin hätten die Parteien zwar festgehalten, dass die Urlaubsansprüche des Klägers in natura gewährt worden seien. Die Vereinbarung habe den Urlaubsanspruch des Klägers aber nicht durch einen Tatsachenvergleich i.S.v. § 779 BGB zum Erlöschen gebracht. Ein Tatsachenvergleich setze voraus, dass eine bestehende Ungewissheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs durch gegenseitiges Nachgeben ausgeräumt werden soll. Zwischen den Parteien bestand jedoch zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses kein Streit über die Anzahl der wegen der anhaltenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Jahr 2023 noch nicht gewährten und damit noch offenen Urlaubstage. Insofern lag in der Vereinbarung kein zulässiger Tatsachenvergleich.
Die Vereinbarung habe den gesetzlichen Urlaubsanspruch des Klägers auch nicht durch einen Verzicht i.S.d. § 397 Abs. 1 BGB zum Erlöschen gebracht, denn nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG kann abgesehen von § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG von den Bestimmungen dieses Bundesurlaubsgesetzes nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Der Urlaubsanspruch nach §§ 1, 3 BUrlG ist gem. § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG damit unverzichtbar.
In vielen Fällen wird in der Praxis im Rahmen eines gerichtlichen Vergleiches zugunsten einer höheren Abfindung auf die Gewährung von Resturlaub oder dessen Abgeltung verzichtet, respektive ausgeführt, dass der Urlaub schon genommen wurde. Die Entscheidung bestätigt, dass eine solche Vereinbarung rechtsunwirksam wäre, sodass der Arbeitgeberseite von derartigen (falschen) Tatsachenvergleichen abzuraten ist.