Das LAG hat klargestellt, dass sofern eine Zielvorgabe erst zu einem derart späten Zeitpunkt innerhalb des maßgeblichen Geschäftsjahres erfolgt, dass sie ihre Anreizfunktion nicht mehr sinnvoll erfüllen kann, sie so zu behandeln ist, als sei sie überhaupt nicht erfolgt.
Der Sachverhalt war zusammengefasst wie folgt:
Der Kläger war bei der Beklagten vom 18.7.2016 bis zum 30.11.2019 als Head of Advertising tätig. Der Arbeitsvertrag sah ein Jahreszielgehalt von 95.000 € bei 100 % Zielerreichung vor. Das Zielgehalt setzte sich aus einem Bruttofixgehalt von 66.500 € und einer variablen Vergütung von brutto 28.500 € bei 100 % Zielerreichung zusammen.
Nach einer am 12.3.2019 abgeschlossenen Betriebsvereinbarung über das Vergütungsmodell sollte der jeweilige Mitarbeiter bis zum 01.03. des Kalenderjahres eine zuvor mit ihm zu besprechende Zielvorgabe erhalten. Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis zum 30.11.2019. Die Beklagte zahlte ihm für 2019 eine variable Vergütung i.H.v. 15.586 €. Der Kläger war der Ansicht, die Vorgabe der Unternehmensziele für 2019 sei verspätet, formell unwirksam und ermessensfehlerhaft erfolgt. Ihm stünden für 2019 die volle Prämie zu.
Die Beklagte behauptete, die maßgeblichen Unternehmenskennzahlen seien bereits am 26.03.2019 im Rahmen einer Präsentation, an welcher der Kläger teilgenommen habe, mitgeteilt worden. Erneut seien diese im Heads Meeting am 16.04.2019, an dem der Kläger ebenfalls teilgenommen habe, mitgeteilt worden. Die vorgegebenen Unternehmensziele seien realistisch und ex ante erreichbar gewesen.
Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Unternehmensziele noch innerhalb der Zielperiode spätestens im Herbst 2019 für das Jahr 2019 festgelegt. Da die Zielperiode noch nicht abgelaufen gewesen sei, sei eine Festlegung der Ziele gem. § 275 Abs. 1 BGB nicht unmöglich geworden und habe noch erfolgen können.
Auf die Berufung des Klägers hat das LAG die Entscheidung abgeändert und der Klage stattgegeben. Allerdings wurde die Revision zum BAG zugelassen. Das LAG bestätigte den Anspruch des Klägers auf Schadensersatz in der begehrten Höhe wegen nicht rechtzeitig erfolgter Zielvorgabe für das Geschäftsjahr 2019.
Die Beklagte war verpflichtet, dem Kläger bis zum 01.03.2019 eine mit ihm zuvor zu besprechende Zielvorgabe zu machen. Ungeachtet der nicht erfolgten vorherigen Besprechung hatte die Beklagte eine zeitnahe Zielvorgabe generell nicht getroffen. Soweit sie behauptet hatte, dass dem Kläger die Umsatz- und E-Ziele im Rahmen einer Präsentation am 26.3.2019 sowie im Heads Meeting am 16.4.2019 mitgeteilt worden seien, folgte daraus keine ordnungsgemäße Zielvorgabe nach der Betriebsvereinbarung. Weder eine Gewichtung der Ziele noch ein Zielkorridor waren dem Kläger vorgegeben worden.
Der Kläger kann gem. § 280 Abs. 3 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen, weil eine einseitige Zielvorgabe durch Zeitablauf unmöglich geworden ist. Das BAG geht in gefestigter Rechtsprechung davon aus, dass eine Zielvereinbarung spätestens nach Ablauf der Zeit, für die ein Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer Ziele zu vereinbaren hat, nicht mehr möglich ist. Offengelassen hat das BAG allerdings bisher, was gilt, wenn der Arbeitgeber zu einer (einseitigen) Zielvorgabe verpflichtet ist, diese aber nicht innerhalb der Zielperiode erfolgt und ob die einen Schadensersatzanspruch statt des Erfüllungsanspruchs begründende Unmöglichkeit bereits vor Ablauf der Zielperiode eintreten kann, also bei Abschluss einer Zielvereinbarung etwa erst gegen Ende der Zielperiode oder zu einem Zeitpunkt, zu dem der Zweck der Leistungssteigerung und Motivation aus anderen Gründen nicht mehr erreicht werden kann.
Nach Auffassung des LAG ist eine in der Zielperiode pflichtwidrig und schuldhaft unterbliebene Zielvorgabe in gleicher Weise zulasten des Arbeitgebers schadensersatzauslösend, wie die pflichtwidrig und schuldhaft nicht abgeschlossene Zielvereinbarung. Erfolgt eine Zielvorgabe somit erst zu einem derart späten Zeitpunkt innerhalb des maßgeblichen Geschäftsjahres, dass sie ihre Anreizfunktion nicht mehr sinnvoll erfüllen kann, ist sie so zu behandeln, als sei sie überhaupt nicht erfolgt. Ein derart später Zeitpunkt ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn das Geschäftsjahr bereits zu mehr als drei Vierteln abgelaufen ist. Eine Anreizfunktion werde zudem nicht per se dadurch ausgeschlossen, dass die unterlassene Zielvorgabe unternehmensbezogene Ziele betrifft.
Dies zeigt wieder einmal, dass der Arbeitgeber gut beraten ist, die Zielvorgaben zeitnah festzulegen, sonst riskiert er, dass der Mitarbeiter die Prämie zu 100 % erhält, selbst wenn er die Ziele verfehlt.