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Fristlose Kündigung eines Betriebsrats wegen Datenschutzverstoß wirksam

Das Landesarbeitsgericht Stuttgart (Urteil vom 25.3.2022, Az. 7 Sa 63/21) hat die fristlose Kündigung eines Betriebsrats bestätigt, weil dieser mit der Veröffentlichung von Prozessakten aus einem vorherigen Kündigungsschutzverfahren zwischen den Parteien – darunter auch personenbezogene Daten, insbesondere Gesundheitsdaten weiterer Mitarbeiter – Persönlichkeitsrechte der in diesen Schriftsätzen namentlich benannten Personen verletzt hat.

Die Entscheidung zeigt auf, dass Verstöße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen nach einer gefühlten zweijährigen Pause während der Corona-Krise, in der der Datenschutz vielfach als zweitrangiges Recht betrachtet wurde, inzwischen wieder geeignet sein können, selbst eine fristlose Kündigung eines Betriebsrates zu rechtfertigen.

Der Sachverhalt war wie folgt:
Der Kläger ist seit mehr als 20 Jahren bei der Beklagten als Entwicklungsingenieur beschäftigt. Seit 2006 war er Mitglied des Betriebsrats und seit 2014 freigestelltes Betriebsratsmitglied. Im vorliegenden Verfahren streiten die Parteien über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 18.01.2019.

Die Beklagte begründet diese Kündigung damit, dass der Kläger mit der Veröffentlichung von Prozessakten aus einem vorherigen Kündigungsschutzverfahren zwischen den Parteien, insbesondere von Schriftsätzen der Beklagten, gegen Bestimmungen des Datenschutzrechts verstoßen habe. In den Schriftsätzen der Beklagten seien auch personenbezogene Daten, insbesondere auch Gesundheitsdaten weiterer Mitarbeiter der Beklagten unter voller Namensnennung enthalten gewesen, die der Kläger einem größeren Verteilerkreis mithilfe eines Zugriffs auf eine sogenannte Dropbox offenbart habe.

Der Kläger ist der Auffassung, dass keine Vorschrift bestehe, die es gebiete, Prozessakten geheim zu halten. Im Übrigen sei ein Datenschutzverstoß schon deshalb abzulehnen, da er mit Blick auf Art. 2 Abs. 2c DS-GVO ausschließlich im Rahmen „persönlicher oder familiärer Tätigkeiten“ gehandelt habe. Außerdem habe er auch im berechtigten Eigeninteresse gehandelt, denn ihm stehe das Recht zu, zu dem Fall Stellung zu nehmen und zu informieren, insbesondere im Hinblick auf die ihn als Familienvater und Betriebsratsmitglied zutiefst belastenden Vorwürfe.

Das ArbG hat erstinstanzlich den Kündigungsschutzantrag mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger mit der Veröffentlichung weiter Teile der Prozessakten durch die Zurverfügungstellung des Dropbox-Links in rechtswidriger Weise gegen Bestimmungen des Datenschutzrechts verstoßen hat. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers blieb vor dem LAG ohne Erfolg.

Die Gründe: Wer im Rahmen eines von ihm angestrengten Gerichtsverfahrens bestimmte Schriftsätze der Gegenseite, in denen Daten, insbesondere auch besondere Kategorien personenbezogener Daten (Gesundheitsdaten), verarbeitet werden, der Betriebsöffentlichkeit durch die Verwendung eines zur Verfügung gestellten Links offenlegt und dadurch auch die Weiterverbreitungsmöglichkeit eröffnet, ohne dafür einen rechtfertigenden Grund zu haben, verletzt rechtswidrig und schuldhaft Persönlichkeitsrechte der in diesen Schriftsätzen namentlich benannten Personen mit der Folge, dass vorliegend die außerordentliche Kündigung der Beklagten gerechtfertigt ist.

Die Wahrnehmung berechtigter Interessen des Klägers lag jedenfalls insofern nicht vor, als die Entscheidungsgründe des Urteils des ArbG am Tage der Zurverfügungstellung des Links noch nicht vorlagen und dem Kläger auch noch die Möglichkeit offenstand, gegen das Urteil das Rechtsmittel der Berufung einzulegen, um in diesem Verfahren seinen Standpunkt darzulegen.

Das Urteil macht deutlich, dass auch datenschutzrechtliche Verstöße geeignet sein können, sogar eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.