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Prüfsiegel bedeuten nicht immer hohe Qualität

Prüf- und Qualitätssiegel sind mittlerweile allgegenwärtig und auch für die Hersteller wichtige Verkaufsargumente für ihre Produkte.

Ob damit nun Eigenschaften der Ware gekennzeichnet werden (z. B. das EU-Bio-Siegel, dass „Fair Trade“-Logo, der „Grüne Knopf“ für nachhaltige Textilien…), das Einhalten von Standards (z. B. TÜV-Siegel) deutlich gemacht werden soll oder einfach ein Produkt in einem Produkttest gut abgeschnitten hat (z. B. Öko-Test, Stiftung Warentest …) – die Hersteller verwende solche Logos und Siegel gerne und die Verbraucher achten zunehmend auch darauf.

Die genannten Siegel oder Kennzeichnungen haben jedoch eins gemeinsam – sie sind nachvollziehbar. Die Testmethodik bei Öko- und Warentest ist in den jeweiligen Artikeln genaustens aufgezählt, auch wenn subjektive Eindrücke der Tester zur Gesamtnote beitragen (man denke z. B. an Matratzentests), für die Verwendung von offiziellen Kennzeichnungen wie dem grünen EU-Bio-Siegel, dem gelben VEGAN-Label oder dem „Grünen Knopf“ gibt es ganz bestimmte Vorschriften, wann ein Produkt damit versehen werden darf.

Doch was ist, wenn eben nicht klar ersichtlich ist, welche Voraussetzungen zu erfüllen sind, um sich mit einem bestimmten Siegel/Logo/Kennzeichnung zu schmücken? Seit Jahren schon verteilen sowohl Fachzeitschriften als auch Illustrierte wie Focus und Spiegel Auszeichnungen für unter anderem Anwälte und Ärzte. Sie nennen sich „JUVE Top 50 Wirtschaftskanzleien“, die „Besten Anwälte des Jahres“ des Handelsblatts, FOCUS-Spezials „Top-Anwälte Deutschlands“ usw. Die wettbewerbsrechtlich durchaus interessante Frage, die sich daraus ergibt, ist die, ob der angesprochene Verbraucherkreis diesen Auszeichnungen einen ebenso hohen Stellenwert einräumt und auf ein nachvollziehbares Auswahlverfahren für die Ausgezeichneten vertraut.

Das Landgericht München I hatte sich mit folgender Konstellation auseinanderzusetzen: Vom Magazin „FOCUS Gesundheit“ werden Jahr für Jahr die besten Ärztinnen und Ärzte in verschiedenen Städten und Gemeinden mit einer Art Prüfsiegel, das dem äußeren Charakter eines Prüfzeichens nicht unähnlich ist, unter der Rubrik „FOCUS Empfehlung“ ausgewiesen. Die Ärzte dürfen mit dieser Auszeichnung gegen eine Lizenzgebühr von 2.000 € unter Verwendung des Prüfsiegels werben.

Nach Auffassung der Wettbewerbszentrale verstoßen diese Empfehlungen jedoch gegen das Irreführungsverbot, weil sich den Lesern der Eindruck aufdränge, die medizinischen Leistungen der Ausgezeichneten seien einer neutralen oder zumindest nachvollziehbaren Prüfung unterzogen worden und die Auszeichnungen seien wegen fachlich herausragender Ergebnisse vergeben worden. In Wirklich seien aber rein subjektive Wertungen der Redakteure Grundlage für die Empfehlungen. Der herausgebende Verlag beruft sich darauf, dass es sich bei den Empfehlungen um journalistische Inhalte handele und diese der Pressefreiheit unterliegen. Die Bewertungen seien in journalistisch nicht zu beanstandender Weise zustande gekommen.

Dieser Argumentation folgte die Kammer des LG München I (Urt. v. 13.02.2023, Az. 4 HKO 14545/21) allerdings nicht. Die Art der Darstellung des Prüfsiegels verleitete die Verbraucher dazu, den Siegeln eine ähnliche Bedeutung wie z. B. den von der Stiftung Warentest nach objektiven Kriterien vergebenen Gütesiegeln zuzuschreiben. Der durchschnittliche Verbraucher gewinne den Eindruck einer vorangegangenen objektiven Prüfung der medizinischen Leistungen der betreffenden Mediziner durch eine unabhängige und fachkundige Stelle. Derlei Prüfsiegel haben zudem einen erheblichen Einfluss auf Patientenentscheidungen, weil die Verbraucher regelmäßig auf die besondere Qualität der medizinischen Leistungen der Ausgezeichneten vertrauten. Im Ergebnis werden daher die angesprochenen Verkehrskreise über die real angewandten Prüfmaßstäbe getäuscht. Die Ärzte-Siegel beruhten – wie auch bei diversen Bewertungsportalen im Internet – nur auf Empfehlungen und Meinungen von Patienten und Kollegen und damit auf nicht überprüfbaren subjektiven Einschätzungen. Das Landgericht nahm folglich eine lauterkeitsrechtliche Irreführung an und gab dem Unterlassungsgesuch der Wettbewerbszentrale statt.