Etwas anders liegt es jedoch, wenn der übliche Marktpreis bezahlt wird und der Käufer als Gegenleistung Ware erhält, die auch bei genauerem Hinsehen nicht als plumpe Fälschung zu entlarven ist. Längst wird bei Fälschungen nicht mehr das bloße Aussehen kopiert, sondern auch spezifische Eigenheiten. So weisen gute Fälschungen ebenfalls hochwertige Stick-Logos und Nähte auf und verwenden hochwertiges Material. Fälschungen von edlen Uhren wie Rolex oder Breitling kosten, wenn sie tatsächlich gut ausgeführt sind, inzwischen selbst einen mittleren bis hohen dreistelligen Betrag. Gerade bei diesen hochwertigen Fälschungen ist die Frage, ob ein Mangel an der Sache vorliegt, nicht ganz so einfach zu beantworten wie beim Eingangsbeispiel des Trikots aus dem Urlaub. Denn durchaus können bei Plagiaten Kaufpreis und erhaltene Ware wertmäßig gleichwertig sein.
Im hier entschiedenen Fall hat der Käufer im Internet mehrfach und über einen längeren Zeitraum bei dem nunmehr Beklagten Bekleidungswaren bestellt. Nachdem der Hersteller der Originalware bei Testkäufen Plagiate bei dem Käufer feststellte und den Käufer auf Herausgabe und Schadensersatz in Anspruch genommen hat, hat der Käufer gegenüber dem Beklagten den Rücktritt von sämtlichen geschlossenen Kaufverträgen für Ware dieses Herstellers erklärt. Dieser hat bestritten, dass es sich bei den vom Hersteller getesteten Waren um seine Lieferung gehandelt habe und dass es sich bei der gesamten Ware, auch der nicht getesteten, um Plagiate gehandelt habe.
Zur Frage, ob überhaupt ein Sachmangel vorliege, hat sich das mit der Entscheidung befasste Landgericht Ellwangen (Urt. v. 21.09.2023, Az. 6 O 99/22) deutlich positioniert und festgestellt, dass bei dem Kauf hochwertiger Markenartikel der Verkäufer auch ohne ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung nur Originalware schulde, dies sei konkludent vereinbart. Bezüglich der Ware, die der Hersteller nicht überprüft hatte und bei der nicht erwiesen war, ob es sich um Originalartikel handele oder um Plagiate, hat das Landgericht zudem im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs festgestellt, dass ebenfalls ein Sachmangel vorliege. Soweit ein auf konkrete Tatsachen gestützter Verdacht eines Sachmangels – vorliegend durch die Tests des Originalherstellers – bestehe, den der Käufer nicht auf zumutbare Weise selbst beseitigen kann, begründet bereits ein solcher Verdacht einen Sachmangel. Da es sich bei sämtlichen vom Originalhersteller getesteten Waren um Plagiate handelte und der Käufer diese sämtlich vom Verkäufer bezogen hatte, bestand der nicht vom Käufer auszuräumende Verdacht, dass auch die restliche vom Käufer bezogene Ware Plagiate waren.
Weil der Sachmangel für den Käufer nicht zu erkennen war, war der Rücktritt auch nicht aufgrund handelsrechtlicher Rügeobliegenheiten ausgeschlossen.
Der Verkäufer hatte dem Käufer die Kaufpreise sämtlicher Bestellungen zu erstatten, der Käufer musste hingegen nur unverkaufte Ware zurückgeben. Vernichtete oder verkaufte Ware begründete hingegen keine Ersatzpflicht. Zudem musste der Verkäufer dem Käufer die Schadensersatzzahlungen ersetzen, die dieser an den Hersteller wegen der Plagiate leisten musste.