Telefon: +49 (0)371 90 97 43Mail: kanzlei@sfsk-law.de

HomeExpertenBenjamin Ellrodt

ARTIKEL

Die Platzierung der Grundpreisangabe bei Angeboten im Internet

Es dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben, dass auch und gerade im Wettbewerbsrecht eine starke Verzahnung von nationalen und europäischen Vorschriften vorherrscht. Die EU versucht durch immer neue Regelungen und Verordnungen einen einheitlichen Verbraucherschutz innerhalb der Union.

Dabei nutzt sie bisweilen auch die Möglichkeit, die Regeln nationaler Gesetze durch europäische Richtlinien vollständig zu harmonisieren. Dies bedeutet, dass die Mitgliedsstaaten keine strengeren Maßnahmen als die, die in der Richtlinie festgelegt sind, festlegen dürfen. Dies gilt selbst dann, wenn strengere Maßnahmen ein höheres Verbraucherschutzniveau bezwecken.

Durch eine solche vollharmonisierende Richtlinie sind EU-weit auch die notwendigen Preisangaben geregelt. § 2 Abs. 1 S. 1 Preisangabenverordnung (PAngV) in der Fassung bis zum 27.05.2022 schreibt vor, dass der Grundpreis „in unmittelbarer Nähe“ des Gesamtpreises anzugeben sei. Die entsprechende europäische Richtlinie über die Angabe von Preisen enthielt eine solche Anordnung nicht, nach ihr muss der Grundpreis lediglich unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sein. Die Richtlinie 2005/29/EG erlaubte es den Mitgliedsstaaten, für eine Übergangszeit von sechs Jahren ab dem 12.06.2007 restriktivere oder strengere nationale Vorschriften beizubehalten, die eigentlich unter den angeglichenen Bereich der EU-Richtlinie fallen. Dazu zählte auch die PAngV.

In einem vor kurzem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (Urt. v. 19.05.2022, I ZR 69/21) wollte der Kläger aufgrund eines vermeintlichen Verstoßes gegen das PAngV im Jahr 2019, dass der Beklagte, der im Internet u. a. Kraftfahrzeugzubehör wie Additive anbot, verpflichtet wird, dass er den Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben habe. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist sein auf diese Verpflichtung gerichtete Antrag zurückgewiesen worden. Sein Begehren verfolgte der Kläger im Hauptsacheverfahren weiter. Das Landgericht hat die Klage jedoch abgewiesen, die dagegen gerichtete Berufung blieb ohne Erfolg. Als Begründung führten beide Gerichte an, dass die nationale Vorschrift des § 2 PAngV, die die Angabe des Grundpreises „in unmittelbarer Nähe“ zum Gesamtpreis verlange, nach der zum 12.06.2013 abgelaufenen sechsjährigen Übergangsfrist entsprechend der harmonisierten Regelung einzuschränken sei, weil sie restriktiver als der angeglichene Bereich der EU-Richtlinie sei.

Dieser Ansicht ist der Bundesgerichtshof nunmehr entgegengetreten. In seinem Urteil führt er aus, dass die nationale Vorschrift des § 2 PAngV keine restriktivere Vorschrift im Verhältnis zur EU-Richtlinie sei und daher auch nicht von der sechsjährigen Übergangsfrist betroffen sei. Es handele sich bei der Anforderung „in unmittelbarer Nähe“ lediglich um eine zulässige Konkretisierung des Wortlauts der Richtlinie durch den nationalen Verordnungsgeber, weil damit das Ziel der Regelungen und der Zweck der Richtlinie vollständig erreicht würde.

Interessanterweise hat sich der Bundesgerichtshof außerdem zu der am 28.05.2022 in Kraft getretenen Neuregelung der Verpflichtung zur Grundpreisangabe im neugefassten § 4 Abs. 1 S. 1 PAngV geäußert, der die hier im Streit stehende Anforderung „in unmittelbarer Nähe“ nicht mehr enthält. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs sei die nunmehr enthaltene Regelung, dass der Grundpreis „neben“ dem Gesamtpreis genannt werden müsse, nicht lediglich im Sinne von „zusätzlich“, sondern darüber hinaus auch im Sinne von „nebeneinander“ zu verstehen. Die Vorschrift sei deshalb auch weiterhin dahingehend zu verstehen, dass Gesamtpreis und Grundpreis auf einen Blick wahrnehmbar sein müssen. Der vorliegende Streitfall wäre demnach auch bei Anwendung der neuen, ab dem 28.05.2022 geltenden Vorschriften nicht anders zu entscheiden gewesen.