Telefon: +49 (0)371 90 97 43Mail: kanzlei@sfsk-law.de

HomeExpertenBenjamin Ellrodt

ARTIKEL

Bewerbung eines Produktes als „klimaneutral“

Angesichts immer neuer Temperatur-Jahresrekorde und steigender Meeresspiegel ist es nicht verwunderlich, dass der Klimaschutz für Verbraucher zunehmend bei Kaufentscheidungen eine Rolle spielt. Als natürliche Reaktion des Marktes versuchen dementsprechend die Unternehmen, die Verbraucher durch entsprechend wohlwollende Werbeaussagen vom Kauf der eigenen Produkte zu überzeugen.

Dabei steht unter wettbewerbsrechtlichen Aspekten immer wieder im Streit, inwieweit über die Bedeutung bestimmter Begriffe Klarheit herrscht oder ob im Rahmen zulässiger Werbung mit solchen Begriffen weitere Aufklärung des Konsumentenkreises erforderlich ist.

Für die Werbeaussage „klimaneutral“ unterstellt jedenfalls das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in einem kürzlich ergangenen Urteil vom 10.11.2022 (Az. 6 U 102/22) dem verständigen Durchschnittsverbraucher, dass für diesen der Begriff schon aus sich heraus verständlich sei und einen bestimmten Inhalt habe. Der Durchschnittsverbraucher verstehe den Begriff nämlich im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen und ihm solle dabei auch bekannt sein, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden könne.

Hintergrund des Verfahrens war folgender: Der Hersteller nachhaltiger Reinigungsmittel bewarb auf seiner Webseite ein Geschirrspülmittel mit dem Logo einer Initiative, die Unternehmen Klimaneutralität attestiert. Voraussetzung ist, dass die Unternehmen ihre CO2-Emissionen durch Unterstützung bestimmter Nachhaltigkeitsprojekte ausgleichen. Allerdings konnten dabei sogenannte indirekte Emissionen ausgeklammert werden, die zwar in der Herstellung verursacht wurden, jedoch durch unternehmensexterne Faktoren, wie z. B. Transport oder Emissionen durch Zulieferer oder Endverbraucher. Es wurden also nicht die gesamten Emissionen des beworbenen Produktes berücksichtigt, sondern lediglich solche, die vom Unternehmen selbst verursacht wurden. Das Logo war auf der Homepage des Geschirrspülmittel-Herstellers über einen Link mit einer Unterseite der Initiative verknüpft, auf der die Zertifizierung näher erläutert wurde. Nicht angegeben war dabei jedoch, dass einzelne Emissionen ausgeklammert werden können. Da ein Wettbewerber dies allerdings für irreführende Werbung hielt, wurde der Hersteller des Geschirrspülmittels auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Während das erstinstanzliche Landgericht den Verfügungsantrag noch ablehnte, gab das OLG Frankfurt am Main der Berufung statt und urteilte, dass die Werbung mit dem Logo „klimaneutral“ irreführend sei, wenn der Werbeadressat – in der Regel also der Verbraucher – nicht umfassend darüber aufgeklärt wird, wie die behauptete Klimaneutralität erreicht wird.

Bei der streitgegenständlichen Logogestaltung gehe der Verbraucher davon aus, dass alle wesentlichen Emissionen des mit dem Logo versehenen Produktes kompensiert werden. Im Hinblick auf die auszuklammernden indirekten Emissionen bestehe jedoch ein „Greenwashing“- Risiko, weshalb die Werbung mit dem Logo ohne weitergehende Erklärung irreführend sei.

Die Nachrichtenlage der letzten Jahre macht das Thema Klimawandel auch im Wettbewerbsrecht unumgänglich. Eine einheitliche Linie der Rechtsprechung ist dabei bisher noch nicht zu erkennen. So hat das OLG Schleswig anders als vorliegend das OLG Frankfurt am Main in einem vorherigen Urteil entschieden, der Begriff „klimaneutral“ sei eindeutig bestimmbar und bedürfe keiner weiteren Aufklärung. Andere Gerichte waren wiederum der Auffassung, der Begriff sei im Sinne von „emissionsfrei“ zu verstehen. Solange sich der Bundesgerichtshof noch nicht zu dieser Frage geäußert hat, ist daher wohl nur zu raten, mit Werbeaussagen wie „klimaneutral“ vorsichtig umzugehen und diese nicht ohne aufklärende Hinweise dazu zu verwenden, wie der Begriff im Einzelfall zu verstehen ist.