Telefon: +49 (0)371 90 97 43Mail: kanzlei@sfsk-law.de

HomeExpertenJürgen Feldmeier

ARTIKEL

Happy Birthday! Ein Jahr Einheitspatent und Einheitspatentgericht

Wie ist der Start des neuen Systems verlaufen? Eine erste Bestandsaufnahme: Das erste Jahr des Einheitspatentsystems und des Einheitspatentgerichts (EPG) stellt einen bedeutenden Schritt in Richtung der Harmonisierung des Patentrechts in Europa dar. Die Einführung des Einheitspatents und des EPG zielt darauf ab, den Schutz geistigen Eigentums innerhalb der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zu vereinfachen und zu stärken, indem ein einziges Patent erteilt wird, das in allen teilnehmenden Ländern Gültigkeit besitzt. Langfristig werden diese Systeme es Inhabern von Einheitspatenten erleichtern, ihre Rechte effizient und wirksam durchzusetzen, und zur Senkung von Kosten und Komplexität bei Patentanmeldungen und -streitigkeiten beitragen.

Doch aller Anfang ist schwer. So nehmen derzeit erst 17 Staaten an diesem System teil, ab 1. September 2024 mit Rumänien dann 18. Auch bis die Harmonisierung des Rechts in allen Staaten bemerkbar ist, werden sicherlich mehrere Jahre vergehen. Dennoch gibt es bereits jetzt erstaunlich positive Entwicklungen: 

  • Hohes Antragsvolumen: Eines der bemerkenswertesten Ergebnisse ist die hohe Anzahl an Anträgen für Einheitspatente, die das Europäische Patentamt (EPA) verzeichnet hat. Von anfänglichen 17,5 % aller Europäischen Patentanmeldungen wird heute bereits fast jedes vierte Europäisches Patent zum Einheitspatent angemeldet. 
  • Schnelle Verfahrensdauer beim EPG: Das Einheitspatentgericht hat seine Tätigkeit aufgenommen und damit begonnen, Streitfälle zu hören. Die infrastrukturelle Errichtung und der operative Beginn des EPG waren im Hinblick auf die Bewältigung der Fallbelastungen und -komplexitäten eine echte Herausforderung. Nichtsdestotrotz wird derzeit (noch) eine sehr kurze Durchschnittsdauer von ca. 9 bis 12 Monate bis zur erstinstanzlichen Entscheidung angestrebt. Die ersten Urteile sind demnach bereits ergangen. Dieselbe Zeitdauer soll es bis zur zweitinstanzlichen Entscheidung benötigen. Das macht das neue System sehr attraktiv. 
  • Deutschland bislang weiterhin attraktivster Gerichtsstandort: Lokale und regionale Gerichtsstandorte spielen im Rahmen des EPG eine zentrale Rolle, insbesondere in Deutschland, einem der wichtigsten Patentrechtsmärkte in Europa. Deutschland hat sich bereits durch lokale Divisionen in München, Düsseldorf, Mannheim und Hamburg hervorgetan, die bereits vor der Einführung des EPG als führende Zentren für Patentstreitigkeiten in Europa galten. Vor allem München, gefolgt von Mannheim und Düsseldorf, konnte im ersten Jahr die meisten Falleingänge verzeichnen. Alle 4 deutschen Gerichte zusammen bearbeiten mit 104 der insgesamt 134 anhängigen Verletzungsfälle mit Abstand die meisten Fälle überhaupt! Dabei war sicherlich auch das Vertrauen in die berufenen zwei sehr erfahrenen vorsitzenden Richter Matthias Zigann und Tobias Pichlmaier für die Lokalkammer sowie in Frau Ulrike Voß als Vorsitzende Richterin der Zentralkammer München entscheidend. Mit der Einrichtung des Einheitspatentgerichts haben diese deutschen Städte ihre Position als wesentliche Schauplätze für die Klärung patentrechtlicher Fragen noch weiter gefestigt. Übrigens gibt es mit Frau Anna-Lena Klein eine weitere deutsche Richterin am EPG, die seit 26. Juni ihre Tätigkeit an der neuen Zentralkammer in Mailand (als dritten Sitz anstelle von London) aufgenommen hat. 

Die führende Rolle der deutschen lokalen EPG-Gerichtsstandorte im Vergleich zu den übrigen lokalen oder regio­nalen Gerichten in Europa zeichnet sich durch mehrere Schlüsselfaktoren aus. Erstens: Die historische Präsenz und Erfahrung Deutschlands in der Abwicklung von Patentstreitigkeiten bieten eine solide Grundlage für die Anwendung des neuen Systems. Zweitens: Die strategische Lage Deutschlands und seine etablierte Rechtstradition im Bereich des geistigen Eigentums machen die lokalen Gerichtsstandorte auch weiterhin zu den bevorzugten Orten für die Durchsetzung von Patenten.

Doch noch ist nicht alles perfekt und es gibt noch die einen oder anderen Schwierigkeiten, wie z. B.:

  • Gerichtliche Kapazitäten/Zeitmanagement: Auch wenn das Einheitspatentgericht bemerkenswert schnell seine Arbeit aufgenommen hat, besteht weiterhin die Herausforderung, mit der hohen Zahl und Komplexität der Fälle Schritt zu halten. Besonders die personellen und infrastrukturellen Ressourcen sind hierbei gefordert, um Verzögerungen und Backlogs zu vermeiden.
  • Sprachliche Herausforderungen: Trotz der Einführung mit dem Ziel, das Patentwesen zu vereinfachen, verbleiben sprachliche Barrieren und Unsicherheiten. Insbesondere kleinere Unternehmen und Einzelerfinder empfinden die beschränkte Auswahl an Verfahrenssprachen (Englisch, Französisch, Deutsch vor der Zentralkammer) als Hinderungsgrund, was zu einer empfundenen Benachteiligung gegenüber größeren, mehrsprachigen Unternehmen führt.
  • Vorsicht bei der Lizenzierung: In der frühen Phase des Einheitspatentsystems zeigen sich Unternehmen und Erfinder noch zurückhaltend, insbesondere in Bezug auf die Formulierung von Lizenzvereinbarungen, die die Besonderheiten des Einheitspatents berücksichtigen sollten. Diese Vorsicht resultiert aus Unsicherheiten bezüglich der neuen rechtlichen Rahmenbedingungen und der Durchsetzbarkeit von Einheitspatenten, was zahlreiche Fragen bezüglich der Best Practices in der Lizenzierung aufwirft.

Zukünftige Entwicklung, was können wir erwarten?

  • Verfeinerung des Systems: Es besteht die breite Erwartung, dass das Einheitspatent und das Einheitspatentgericht über die nächsten Jahre eine fortlaufende Evaluation und Anpassung erfahren werden, um deren Effizienz und Nutzerfreundlichkeit weiter zu erhöhen. Änderungen im Verfahrensrecht und den Richtlinien sind erwartbar, ermöglicht durch die gesammelten Erfahrungen und Rückmeldungen aus der Praxis.
  • Erweiterung der Teilnehmerstaaten: Ein bedeutendes Indiz für den Erfolg in der Zukunft ist die mögliche Erweiterung des Kreises der Teilnehmerstaaten des Einheitspatentsystems. Dies würde den Patentschutz vergrößern und die Jurisdiktion des Einheitspatentgerichts stärken, wodurch eine umfassendere Harmonisierung des europäischen Patentrechts erreicht werden kann. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist die Aufnahme von Rumänien zum 1. September 2024 als 18. Mitgliedstaat des EP und EPG.
  • Globaler Einfluss: Das Einheitspatent und das Einheitspatentgericht machen die Region der Europäischen Union wieder attraktiver und wettbewerbsfähiger im globalen Vergleich mit den USA, China sowie den jungen aufstrebenden Regionen vor allem im asiatischen Raum.

Resümee: Nach einem Jahr Betrieb kann man den Start des Einheitspatents und des Einheitspatentgerichts als gelungen bezeichnen und das neue System ist auf dem besten Weg, die Patentlandschaft in Europa nachhaltig zu verändern. 

Infos zum Autor

Dipl.-Ing. (Univ.) Jürgen Feldmeier, LL.M.

Patentanwalt
European Patent Attorney, European Trademark & Design Attorney

Telefon: +49 (0)89 69 39 21-0
Mail:  feldmeier@pruefer.eu

Mehr Infos zum Autor


 

 

 

 

KANZLEIZEITUNG

Mit unserer Kanzleizeitung update bleiben Sie zur aktuellen Rechtsprechung immer auf dem neuesten Stand.  

Download