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Der Start des einheitlichen Patentgerichts – ist das Nichtigkeitsverfahren vor dem Einheitlichen Patentgericht das bessere Einspruchsverfahren?

Zum 01. Juni 2023 hat das Einheitliche Patentgericht (Unified Patent Court, UPC) seine Arbeit aufgenommen.

Damit kann ein Europäisches Patent nun erstmalig mit einem zentral geführten Gerichtsverfahren im Rahmen einer Nichtigkeitsklage angegriffen werden. Dies unterscheidet sich damit stark von den bisherigen Handlungsoptionen, die ein Dritter hatte, um gegen den Rechtsbestand eines solchen Patents vorzugehen. 

1. Ausgangslage

Bis zum Start des Einheitlichen Patentgerichts hatte man lediglich die folgenden Optionen, um gegen ein erteiltes Europäisches Patent vorzugehen:

Einspruchsverfahren (Art. 99 ff. EPÜ)

Direkt nach dem Veröffentlichungstag und der Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung kann innerhalb von neun Monaten (Art 99 (1) EPÜ) Einspruch gegen das erteilte Patent eingereicht werden, sodass in einem Amtsverfahren eine Beschränkung und im besten Fall ein vollständiger Widerruf des erteilten Patents erreicht wird.

Nationale Nichtigkeitsklage (§§ 81 ff. PatG)

Ist kein Einspruch mehr möglich, weil die Einspruchsfrist verstrichen ist, bestand bisher nur noch die Möglichkeit einen Widerruf des Patents im Rahmen einer subsidiär zum Einspruch (§ 81 (2) PatG) vorgesehenen Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht (BPatG) zu erreichen. Diese Möglichkeit ist aufwändig, teuer und in der Regel langsam. Das BPatG arbeitet erfahrungsgemäß deutlich langsamer als ein Verletzungsgericht. 

Der größte Nachteil der nationalen Nichtigkeitsklage besteht jedoch darin, dass damit lediglich der deutsche Teil eines Europäischen Patents angegriffen werden kann, denn ein Europäisches Patent zerfällt bei Erteilung in einzelne nationale Patente (Bündelpatent) für diejenigen EPÜ-Vertragsstaaten, die im Rahmen der Validierung weiterverfolgt werden.

2. Die Nichtigkeitsklage vor dem UPC

Mit Einführung des UPC besteht nun die Möglichkeit, ein Europäisches Patent mit einer isolierten Nichtigkeitsklage mit Wirkung für die EU-Mitgliedsstaaten anzugreifen. Eine solche Nichtigkeitsklage kann nicht nur gegen die neu eingeführten Einheitspatente, sondern auch gegen bestehende Bündelpatente eingereicht werden. Voraussetzung dafür ist lediglich, dass der Patentinhaber keinen wirksamen Opt-out-Antrag gestellt hat, mit dem die ausschließliche Zuständigkeit des UPC für das Patent ausgeschlossen wurde. 

Die Nichtigkeitsklage vor dem UPC ist im Unterschied zur nationalen Nichtigkeitsklage vor dem BPatG nicht subsidiär (Art. 33 (8) UPCA) zum Einspruch vor dem EPA. Stattdessen hat man nun seit dem Start des UPC eine Wahlmöglichkeit, ob ein Europäisches Patent im Rahmen eines Amtsverfahrens (Einspruch vor dem EPA) oder im Rahmen eines Gerichtsverfahrens (Nichtigkeitsklage vor dem UPC) angegriffen werden soll.

3. Vergleich beider Verfahren

Aus dieser Wahlmöglichkeit ergeben sich einige strategische Fragestellungen, die einen Vergleich beider Verfahren nahelegen. 

Zunächst wirkt die Einspruchsfrist von neun Monaten beschränkend auf die Handlungsfreiheit des Angreifers. Hat er also innerhalb dieser Frist nicht genügend Material für einen Einspruch gesammelt, so muss er die Frist verstreichen lassen oder einen Einspruch einreichen, dessen Chancen relativ gering sind. Demgegenüber hat die Nichtigkeitsklage vor dem UPC den Vorteil, nicht an derartige Rahmenbedingungen gebunden zu sein, sondern kann jederzeit eingereicht werden, sodass ggf. ausreichend Zeit zur Vorbereitung vorhanden ist. 

Ein weiterer Unterschied besteht in der Ausrichtung bzw. Aktivität des Spruchkörpers. Da der Einspruch vor dem EPA als Amtsverfahren ausgelegt ist, handelt die dort agierende 

Einspruchsabteilung nach dem Amtsermittlungsgrundsatz. Sie ist dabei weder auf das Vorbringen noch auf die Anträge der Beteiligten beschränkt (Art. 114 (1) EPÜ). D. h. auch bei Ausscheiden sämtlicher Einsprechender könnte dennoch ein Widerruf oder eine Beschränkung des Patents erfolgen, wenn die Einspruchsabteilung die im Verfahren befindlichen Dokumente entsprechend bewertet. Demgegenüber kann das UPC Sachentscheidungen ausschließlich auf Gründe, Tatsachen und Beweismittel stützen, die von den Parteien vorgebracht oder auf Anordnung des Gerichts in das Verfahren eingebracht wurden und zu denen die Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme hatten (Art. 76 (2) UPCA). Man bekommt somit nur das, was man beantragt hat.

Ein dritter und wahrscheinlich entscheidender Unterschied, der die Nichtigkeitsklage vor dem UPC gegenüber dem Einspruch attraktiver erscheinen lässt, ist das deutlich strengere Fristenregime des UPC. Während im Einspruchsverfahren des EPA die Einspruchsabteilung im Wesentlichen frei über den zeitlichen Ablauf und damit die Fristsetzung im Verfahren entscheidet, ist bei der Nichtigkeitsklage vor dem UPC eine straffe Fristsetzung vorgeschrieben, was zum Ziel hat, dass nach fünf Monaten bereits die Duplik geschrieben wurde.

Dies stellt einen klaren Vorteil der Nichtigkeitsklage gegenüber dem Einspruchsverfahren dar, denn innerhalb von deutlich weniger als einem Jahr kann hier bereits die erstinstanzliche Entscheidung ergehen.
Um die eng gesetzten Fristen zu halten, existiert hier allerdings kein Amtsermittlungsgrundsatz. Stattdessen gilt hier der Beibringungsgrundsatz und es wird gefordert, sämtliche Argumente zu Beginn vorzutragen, um nicht mit den strengen Präklusionsvorschriften konfrontiert zu werden. 

 

Infos zum Autor

Dipl.-Ing. (Univ.) Jürgen Feldmeier, LL.M.

Patentanwalt, Of Counsel
European Patent Attorney, European Trademark & Design Attorney

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