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ARTIKELLISTE HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT

Zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen müssen aktiv Maßnahmen ergriffen werden

Erst vor kurzer Zeit, genauer im April 2019, hat der Gesetzgeber die Regelungen zum Schutz der Geschäftsgeheimnisse modernisiert und das neue Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) geschaffen. Er wollte damit dem erhöhten Bedarf in der Wirtschaft nach Schutz von Betriebsinterna nachkommen.

Diese waren zwar auch schon vorher über entsprechende Vorschriften im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb geschützt, dennoch sah der Gesetzgeber die Notwendigkeit, die bestehenden Lücken mit einem eigenen Gesetz zu schließen.

Wie auch sonst bei vielen Gesetzen ist es letztlich an der Rechtsprechung, die teilweise bewusst unscharfen Begrifflichkeiten der Gesetzestexte konkret an der Praxis zu entwickeln und zu festigen. Vor diesem Hintergrund sind die Urteile zweier Oberlandesgerichte aus dem Spätjahr 2020 beachtenswert. Denn beide Urteile beschäftigen sich mit der Frage, welche Geheimhaltungsmaßnahmen des rechtmäßigen Inhabers des Geschäftsgeheimnisses als angemessen gelten. Denn der § 2 Abs. 1 GeschGehG definiert ein Geschäftsgeheimnis als 

„eine Information, (…)

b) die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und (…)“.

Der rechtmäßige Inhaber muss daher „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ hinsichtlich einer Information ergriffen haben, damit diese den Schutz des neu geschaffenen Gesetzes erfährt. Das OLG Hamm stellte in seinem Urteil vom 15.09.2020 (4 U 177/19) mehrere Wertungskriterien auf, nach denen sich die Angemessenheit bestimmen soll. So sind insbesondere branchenübliche Sicherheitsmaßnahmen zu berücksichtigen, auch die Größe und Leistungsfähigkeit des Unternehmens ist zu beachten. Nicht zuletzt soll der Grad des Wettbewerbsvorteils durch die Geheimhaltung sowie die Schwierigkeit der Geheimhaltung Berücksichtigung finden. Hintergrund der Entscheidung war der Fall eines weltweit agierenden Unternehmens, dass jahrzehntelang eine marktdominierende Stellung innehatte. Dennoch hatte es versäumt, einzelnen Verstößen gegen die Geheimhaltungsvorschriften nachzugehen und hatte sogar toleriert, dass einzelne Dateien des Unternehmens ohne weitere Geheimhaltungsmaßnahmen frei zugänglich waren. Aus diesem Grund wurde ein Schutz der Informationen nach dem GeschGehG versagt.

Das OLG Stuttgart hat in seinem Urteil vom 19.11.2020 (2 U 575/19) als Mindeststandard angesehen, dass „relevante Informationen nur Personen anvertraut werden dürfen, die die Informationen zur Durchführung ihrer Aufgabe (potentiell) benötigen und die zur Verschwiegenheit verpflichtet sind“. Unter Gesamtbetrachtung der Umstände hält das OLG Stuttgart zudem auch die Ergreifung weiterer Maßnahmen für geboten und weist darauf hin, dass ein toleriertes oder in Kauf genommenes „Datenleck“ zum Verlust des angemessen Schutzniveaus führen könne. Als äußerst kritisch sah das Gericht das zugelassene Speichern von betriebsinternen Dateien, die Geschäftsgeheimnisse beinhalten, auf privaten Datenträgern, gerade bei unverschlüsselter Speicherung.

Angesichts der bedingt durch die Corona-Krise immer verbreiteteren Arbeitsweise im Home-Office sollte daher unbedingt auf die Sicherstellung angemessener Schutzmaßnahmen auch dort geachtet werden. Gerade die Nutzung privater Geräte für den dienstlichen Einsatz ist vor diesem Hintergrund kritisch zu sehen. Möglicherweise sind auch technische Beschränkungen erforderlich, um angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen für die Home-Office-Anwendung treffen zu können.