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Unfall zwischen Wohnung und Arbeitsstätte – Krankheitskosten sind als Werbungskosten abziehbar

Wer auf einer beruflich veranlassten Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte einen Unfall erleidet, durch den Kosten im Zusammenhang mit der Beseitigung oder Linderung von Körper- und Gesundheitsschäden entstehen, kann diese Kosten gem. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG als Werbungskosten bei der Steuer abziehen.

Dies hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 19.12.2019 – VI R 8/18 - entschieden und eine anderslautende Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg damit aufgehoben.

Die Klägerin erlitt im Jahr 2013 auf dem Weg von ihrer Arbeitsstätte zu ihrer Wohnung einen Autounfall, wodurch es bei ihr zu schweren Verletzungen an Gesicht und Nase kam. Bei einer klinischen Untersuchung im folgenden Jahr, bei der die Folgen des Unfalls erneut begutachtet wurden, wurden bleibende Veränderungen der gesamten Nasenkonstruktion festgestellt. Die Klägerin musste sich daraufhin einer Nasenoperation unterziehen, die einen mehrtägigen stationären Krankenhausaufenthalt zur Folge hatte.

Die zuständige Berufsgenossenschaft übernahm als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung teilweise die Kosten für die Operation, die darüber hinausgehenden Kosten wurden von der Klägerin selbst getragen. Zusammen mit weiteren Behandlungskosten und damit im Zusammenhang stehenden Fahrtkosten, mithin eine Summe von 2.402,00 €, machte die Klägerin ihre Aufwendungen als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend.

Das Finanzamt und das Finanzgericht erkannten die Werbungskosten allerdings nicht an – zu Unrecht, wie der Bundesfinanzhof jetzt feststellte.

Zwar seien in der Regel durch die Entfernungspauschale sämtliche fahrzeug- und wegstreckenbezogenen Aufwendungen abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte veranlasst sind. Dies gelte selbst für Unfallkosten, wenn und soweit es sich dabei um Aufwendungen des Arbeitnehmers für „die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte“, also um echte Wegekosten handele. Diese Kosten seien von der Abgeltungswirkung des § 9 Abs. 2 S. 1 EStG miterfasst. Schon die Verwendung des Begriffs „Entfernungspauschale“ in dieser Norm ergebe, dass sich die Abgeltungswirkung jedoch nur auf solche Aufwendungen beziehen könne, die begrifflich zu den „Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte“ gehören. Dabei handele es sich um berufliche Mobilitätskosten, die die Kosten zur Überwindung der Distanz zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte als regelmäßig notwendige Bedingung berufliche Tätigkeit erfassen.

Demgegenüber würden Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beseitigung oder Linderung von Körperschäden keine beruflichen Mobilitätskosten darstellen. Die Kosten seien weder fahrzeug- noch wegstreckenbezogen.

Die Kosten für die Beseitigung der Verletzungen, die sie durch den Unfall auf der beruflich bedingten Fahrt erlitten hatte, seien daher als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 EStG neben der Entfernungspauschale zu berücksichtigen.